Sonntag, 16. März 2014

David_Graeber_Schulden

Mit den Auszügen aus dem Buch von David Graeber - "SCHULDEN, die ersten 5000 Jahre" möchten wir das nächste bedeute Buch über das System unserer Zivilisation vorstellen.

Es war uns längst klar, dass die Schulden das Kernelement des Systems darstellen , das Buch von Graeber wäre eine Bestätigung, dass die Vermutung stimmt.

Die Auszüge sollen den Leser ermuntern das Buch in die Hände zu nehmen, das ist bestimmt ein bedeutendes Buch, die Auszüge können ihn auf keinem Fall ersetzen.









Buch

Ein radikales Buch: Graeber packt das Problem der Schulden an der Wurzel, indem er bis zu ihren Anfangen in der Geschichte zurückgeht.

Das führt ihn mitten hinein in die Krisenherde unserer Zeit: Von der Antike bis in die Gegenwart sind revolutionäre Bewegungen immer in Schuldenkrisen entstanden.
Graeber sprengt die moralischen Fesseln, die uns auf das Prinzip der Schulden verpflichten. Denn diese Moral ist eine Waffe in der Hand der Mächtigen. Die weltweite Schuldenwirtschaft ist eine Bankrotterklärung der Ökonomie. Der Autor enttarnt Geld- und Kredittheorien als Mythen, die die Ökonomisierung aller sozialen Beziehungen vorantreiben.

Im Kern ist dieses Buch ein Hohelied der Freiheit: Das sumerische Wort »amargi«, das Synonym für Schuldenfreiheit, ist Graeber zufolge das erste Wort für Freiheit in menschlicher Sprache überhaupt.

Autor

David Graeber, geboren 1961 in den Vereinigten Staaten, unterrichtete bis zu seiner umstrittenen Entlassung 2007 als Anthropologe in Yale und lehrt seither am Goldsmiths College in London. Graeber ist bekennender Anarchist und Mitglied in der »Industrial Workers of the World«. Sein Vater hat im spanischen Bürgerkrieg gekämpft, und er selbst hat fast zwei Jahre in einer direkte Demokratie praktizierenden Gemeinschaft auf Madagaskar gelebt. Graeber ist ein Vordenker der Occupy-Bewegung.












INHALT


1 Über die Erfahrung der moralischen Verwirrung                                                           7
2 Der Mythos vom Tauschhandel                                                                                      31
3 Ursprüngliche Schulden 57 4 Gewalt und Wiedergutmachung                                   94
5 Kurze Abhandlung über die moralischen Grundlagen ökonomischer Beziehungen  II3
6 Spiele mit Sex und Tod 162
7 Ehre und Entwürdigung 207
8 Kredit oder Edelmetall 268
9 Die Achsenzeit 282
10 Das Mittelalter 319
11 Das Zeitalter der kapitalistischen Imperien 390
12 1971 - Der Anfang von etwas, das noch nicht bestimmt werden kann 458
Anmerkungen 497
Bibliografie 571
Personenregister 619
Sachregister 623









KAPITEL 2

DER MYTHOS VOM TAUSCHHANDEL


S.53
    ... Aber den stärksten Schlag gegen die übliche Version der Wirtschaftsgeschichte brachte die Entschlüsselung zuerst ägyptischer Hieroglyphen und dann mesopotamischer Keilschriften. Sie widerlegte das gängige Verständnis der geschichtlichen Aufzeichnungen aus beinahe 3000 Jahren, von der Zeit Römers (um 800 v. Chr.), bis wohin man zu Adam Smith' Lebzeiten die Geschichte überblicken konnte, zurück bis etwa 3500 v. Chr. Aus diesen Texten ging hervor, dass Kreditsysteme von genau der beschriebenen um viele tausend Jahre älter waren als die Erfindung des Münzwesens.

    Das mesopotamische System ist am besten dokumentiert, noch besser als das ägyptische System aus der Pharaonenzeit (das offenbar ähnlich war), das System unter der chinesischen Shang-Dynastie (worüber wir wenig wissen) oder der Zivilisation im Indus-Tal (über die wir überhaupt nichts wissen). Zufällig wissen wir eine Menge über Mesopotamien, weil die große Mehrheit der Dokumente in Keilschrift finanzielle Angelegen­heiten betrifft.

    In der sumerischen Wirtschaft dominierten große Tempel- und Palast­anlagen. Zu ihnen gehörten oft viele tausend Menschen: Priester und Beamte; Handwerker, die in den verschiedenen Werkstätten arbeiteten; Bauern und Hirten, die große Flächen bewirtschafteten. Obwohl das Reich Sumer die meiste Zeit aus einer Vielzahl unabhängiger Stadtstaa­ten bestand, hatten um 3500 v. Chr., als der Vorhang über der mesopotamischen Zivilisation sich hebt, Tempelverwalter anscheinend schon ein einziges, einheitliches System der Buchführung entwickelt. Und es ist uns bis heute erhalten geblieben, weil wir den Sumerern bestimmte Din­ge wie das Rechnen mit Dutzend und den 24-Stunden-Tag verdanken.32 Die grundlegende Währungseinheit war der Silberschekel. Das Gewicht

S.54
eines Schekels in Silber wurde festgelegt als Äquivalent eines Gur oder eines Sacks Gerste, der etwa ein Volumen von 300 Liter umfasste. Ein Schekel war unterteilt in 60 Minen, die jeweils einer Portion Gerste entsprachen - nach dem Grundsatz, dass ein Monat 30 Tage hatte und Tempelarbeiter zwei Rationen Gerste am Tag bekamen. Wie leicht zu erkennen ist, war das »Geld« in diesem Fall keineswegs das Produkt kommerzieller Transaktionen. Beamte schufen es, um den Überblick über die Ressourcen zu behalten und Dinge zwischen den einzelnen Abteilungen hin- und herzubewegen.

     Die Tempelverwalter kalkulierten mit diesem System Schulden (Pacht, Gebühren, Kredite...) in Silber, und das war faktisch Geld. Und tatsäch­lich zirkulierte es in Form von unbearbeiteten Brocken, »ungeprägten Barren«, wie Adam Smith es nannte.33  Insofern hatte er recht. Aber das ist schon fast der einzige Teil seiner Darstellung, der zutrifft. Zum einen zirkulierte das Silber nicht in großen Mengen. Das meiste lagerte in den Schatzhäusern von Tempeln und Palästen; ein Teil davon blieb, sorgfältig bewacht, buchstäblich einige tausend Jahre dort liegen. Es wäre sehr leicht gewesen, die Barren zu standardisieren, zu stempeln und eine maßgebliche Instanz zu schaffen, die ihre Reinheit garantiert hätte. Die Technik dafür war vorhanden, doch niemand sah eine Notwendigkeit dafür, teils weil Schulden zwar in Silber berechnet wurden, aber nicht in Silber bezahlt werden mussten - sie konnten mit praktisch allem bezahlt werden, was man gerade zur Verfügung hatte. Bauern, die dem Tempel oder dem Palast oder einem Beamten des Tempels oder Palasts Geld schuldeten, bezahlten anscheinend meistens mit Gerste. Deshalb war es so wichtig, das Verhältnis von Silber zu Gerste genau festzulegen. Aber es war auch vollkommen in Ordnung, wenn der Schuldner mit Ziegen, Möbeln oder Lapislazuli kam. Die Tempel und Paläste waren große Wirtschafts betriebe - und hatten Verwendung für beinahe alles.34

    Auf den Märkten, die sich in den mesopotamischen Städten entwickel­ten, wurden die Preise ebenfalls in Silber kalkuliert, und die Preise von Waren, die nicht vollständig der Kontrolle durch die Tempel und Paläste unterlagen, schwankten je nach Angebot und Nachfrage. Aber selbst hier sprechen alle unsere Anhaltspunkte dafür, dass die meisten Trans­aktionen auf Kredit basierten. Händler (die manchmal für die Tempel arbeiteten, manchmal unabhängig) gehörten zu den wenigen Menschen, die tatsächlich häufig Silber bei ihren Geschäften verwendeten; aber





32 Die Tempel waren wohl zuerst da. Die Paläste, die im Laufe der Zeit immer wichtiger wurden, übernahmen denen Verwaltungssystem.
33 Smith dachte sich das nicht aus: Der geläufige Begriff dafür ist »Hacksiber« (vgl. zum Beispiel Balmuth 2001 )
























































erstellt von Johannes-Paul Wucherer jr. und Benedikt Zinser jr., 10.04.2014

Sonntag, 9. Oktober 2011

Zarlenga-"Das verlorene Wissen über das Geld"-Inhaltsverzeichnis


Auf den Seiten wurden reichlich besonders aufschlussreiche Zitate aus dem Buch über "Das verlorene Wissen über das Geld" von


Stephen Zarlenga - "Der Mythos vom Geld - die Geschichte der Macht"

engl. "The Lost Science of Money: The Mythology of Money, The Story of Power"

gesammelt, um den Leser einen Blick auf die Gedankenwelt der Geldforscher zu gewähren und sie zur Lektüre des Buches anzuregen, zu erwerben z.B. bei Buch.de.  Kaum ein anderes Buch über das Geld ist so geldwert wie dieses.

Die Struktur des Buches, die Kapitel und Seitennumerierung wurden beibehalten. Das erleichtert dem Leser die vollständige Aussage des Autor in dem Buch wiederfinden. Ein Zitat kann nur dann richtig versanden werden, wenn der Kontext, die Einführung auch bekannt ist.




Kapitel 1 - 4
Kapitel 5 - 8
Kapitel 9 - 11
Kapitel 12 - 20
Kapitel 21 - 24



INHALTSVERZEICHNIS
 



Einführung
13




1. Kapitel   Die Ursprünge des Geldwesens
19

Der Ursprung des Geldes im Warenhandel
19

Der Ursprung des Geldes in der Gesellschaft
21

Der Ursprung des Geldes in der Religion

Gold wird zum Zahlungsmittel
24

Die griechischen Stadtstaaten führen die Münzprägung ein
28

Lykurgs numerisches System in Sparta
31

Solons Reform
32

Aristoteles' »Nomisma«
34




2. Kapitel  Roms Bronzegeld:besser als Gold
37

Roms Bronzegeld
37

Der Niedergang des römischen Geldsystems
41

Östliche Kulte infiltrieren Rom
44

Übernahme durch die Cäsaren
45

DieZerstörung des römischen Ethos
46

Der kaiserliche Goldstandard stärkt die finanzielle Macht des Ostens
48

Edelmetalle fließen in den Osten ab
49

Die Währungskrisen im späten dritten Jahrhundert
51

Das Imperium verlagert sich nach Osten
52




3. Kapitel  Der Untergang Roms aus monetärer Sicht
55

Erste Regel: Das »heilige« Vorrecht der Goldmünzenprägung
55

Zweite Regel: Die unterschiedlichen Gold-Silber-Wertverhältnissein Ost- und Westrom
57

Der Untergang des Römischen Reiches bleibt eine der größten Fragender Geschichte
59

Eine monetäre Sicht des Untergangs von Rom
61

Der moslemische Angriff auf das »monetäre Rückgrat« des Reiches
64




4. Kapitel  Die Wiedereinführung von Geld im Westen
69

Die Wiederbelebung des Münzsystems im Norden durch Karl den Großen: ein »trügerisches Licht«
70

Sonnenaufgang über dem Mittelmeer: Der Aufstieg von Venedig
74

Venedigs Geldsysteme
78

Venedig führt vorsichtig Nominalgeld ein
85

Die venezianischen Imprestidi: eine Form der Staatsfinanzierung
86




5. Kapitel  Die Kreuzzüge beenden den monetären Würgegriff von Byzanz
89

Der erste Kreuzzug
90

Der Aufstieg der Templer
94

Der vierte Kreuzzug nach Konstantinopel
95

Die monetäre Bedeutung des vierten Kreuzzuges
97

Die finanziellen Neuerungen der Templer
99




6. Kapitel Der Kampf um die monetäre Vorherrschaft in der Renaissance
103

Die Handelsmessen
104

Die Münzstätten der Könige
106

Die mittelalterlichen Geldverleiher
108

Privatbanken
109

Staatseigene Banken
113

Die große Entdeckung: Banken schöpfen Geld
114

Die Welser, Hochstetter und Tucher
118

Brügge: die treibende Kraft im Norden
119

Die Hanse
120




7. Kapitel  Scholastiker und Reformatoren                   
127

Die scholastische Sicht von Geld und Preis
127

DasWucherverbot wird in Frage gestellt
137

Keine Vergebung für Wucherer
137

Wirtschaftliche und geistige Auswirkungen des Calvinismus
141




8. Kapitel  Das Jahr 1500 – Dreh- und Angelpunkt der Geschichte
147

Machtverschiebungen vom Mittelmeer zur Nordsee
147

Die Plünderung Amerikas
148

Die Renaissance des Nordens
155

Die Kaproute verändert die Handelsbeziehungen
159




9. Kapitel  Der Aufstieg des Kapitalismus in Amsterdam       
163

Die Bank von Amsterdam
164

Die Juden Amsterdams
170

Die Börse von Amsterdam
173

Die Vernachlässigung des Handels durch die Holländer
181

Holland finanziert England
183




10. Kapitel  Der Transfer des Kapitalismus nach England
185

Englands monetärer Hintergrund
186

Der Kampf um die Kontrolle des englischen Geldsystems
189

Die religiöse Unterminierung der Monarchie
190

Die Wiederzulassung der Juden in England
192

Die Unterminierung der Monarchie über das Geldsystem
195

Das Papiergeld-Experiment Karls II
197

Der Free Coinage Act von 1666
198




11. Kapitel  Die Bank of England wird ausgeheckt.
203

Die Lehre vom Geld wird wiederentdeckt– und mißbraucht
203

Die Gründung der Bank wird in aller Stille vorangetrieben
207

Der Widerstand gegen die Bank regt sich
209

Ricardo greift die Geldschöpfungsmacht der Bank an
212

Der Mißbrauch der Lehre vom Geld
213

Der South Sea Bubble
217




12. Kapitel  Die Nationalökonomen: die Priester der Bankentheorie
221

Ökonomen als Propagandisten
223

Die Verachtung für geschichtliche Forschung wächst
224

Der Mythos Adam Smith
226

Zutreffendere Geldtheorien vor und nach Adam Smith
231

Die Ergreifung der gesellschaftlichen Geldmacht
234

Zinsberechnung auf privat geschöpftem Geld
236

Geldmenge und Inflation – wieviel Geld ist notwendig?
238

Weshalb konnte sich Adam Smith' Auffassung durchsetzen?
242

Bankiers setzen Smith' monetäre Ansichten gegen England ein
243




...









Samstag, 8. Oktober 2011

Zerlenga - Der Mythos vom Geld - Kapitel 9 - 11, Auszüge


Auf der Seite wurden reichlich besonders aufschlussreiche Zitate aus dem Buch über "Das verlorene Wissen über das Geld" von

Stephen Zarlenga - "Der Mythos vom Geld - die Geschichte der Macht"

engl. "The Lost Science of Money: The Mythology of Money, The Story of Power"

gesammelt, um den Leser einen Blick auf die Gedankenwelt der Geldforscher zu gewähren und sie zur Lektüre des Buches anzuregen, zu erwerben z.B. bei Buch.de.  Kaum ein anderes Buch über das Geld ist so geldwert wie dieses.

Die Struktur des Buches, die Kapitel und Seitennumerierung wurden beibehalten. Das erleichtert dem Leser die volle Aussage des Autor in dem Buch wiederfinden. Ein Zitat kann nur dann richtig versanden werden, wenn der Kontext, die Einführung auch bekannt ist.




Kapitel 1 - 4
Kapitel 5 - 8
Kapitel 9 - 11
Kapitel 12 - 20
Kapitel 21 - 22


Zitaten
aus den Kapitel 9 - 11




            9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   163



9. Kapitel  Der Aufstieg des Kapitalismus in Amsterdam


Das bedeutendste Charakteristikum der Bank von Amsterdam
muß in der Tatsache gesehen werden, daß es sich um eine
städtische, nicht etwa um eine private oder privat geführte
Einrichtung handelte.
Jonathan Israel

Das Amsterdam des 17. Jahrhunderts nimmt in der
Weltgeschichte einen bemerkenswerten Platz ein. Die Stadt entriß
Portugal die Kontrolle über den Handel mit Indien, entwickelte
Europas mächtigste Finanzmärkte und schuf die Grundlagen für den
modernen Kapitalismus.
...
Amsterdam erschien 1585 mit dem Niedergang Antwerpens auf
der Bühne des Geschehens. ...Auf einmal – so schien es – war die Stadt da.1 Zaandam
wurde Europas wichtigstes Schiffsbauzentrum. In jener Zeit gab es
zwischen 1,5 und 2 Millionen Niederländer, 6 Millionen Engländer
und 20 Millionen Franzosen....


164   Das Amsterdam des 17.Jahrhunderts


Die intellektuelle Freiheit der Holländer

Auf intellektueller Ebene war Holland eine Gemeinschaft, wie sie zu
dieser Zeit freidenkender nicht sein konnte. Der holländische Theologe
Jakob Arminius formulierte die Doktrin von der menschlichen
Willensfreiheit und stellte sich damit in Opposition zu Calvins Haltung.
Der Standpunkt der Arminier wurde in ganz Europa über Jahrhunderte
zum Symbol freien Denkens.
...
Amsterdam war auch Heimat für den großen Juristen Hugo Grotius
(1583-1645), der die Doktrin von der Freiheit der Meere aufstellte;
in der Mitte des 17. Jahrhunderts lebten hier auch die Philosophen
Descartes und Spinoza.


Die Bank von Amsterdam

Vorgeschichte

Einige der aus Antwerpen kommenden Juden richteten eine Wisselbank,
eine Art Wechselbank, ein. Sie wechselten Geld, diskontierten
Wechsel, nahmen Einlagen an und vergaben Kredite. ...

        9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   165


Die Stadtväter schritten ein und gründeten im Januar 1609 die
Bank von Amsterdam. Den Juden und allen anderen Interessierten
wurden Bankgeschäfte verboten. Das wichtigste Motiv für die Gründung
der Bank von Amsterdam war, skrupellose Geldwechsler daran
zu hindern, die ganze Region zu kontrollieren. Es sollte die Möglichkeit
geschaffen werden, Geld schnell, effizient und verläßlich zu tauschen.
Das bedeutendste Charakteristikum der Bank von Amsterdam
... es sich um eine städtische,
nicht etwa um eine private oder privat geführte Einrichtung handelte. 3
...
Zinsen wurden nicht bezahlt; die Konten wurden nicht überzogen;
Kredite wurden nicht gewährt. ...

Auf die Bank von Amsterdam gezogene Wechsel wurden jedoch
mit der Zeit weltweit akzeptiert, und das Ziehen von Wechseln auf sie
war überall möglich.

Die Einlagen bei der Bank konnten nicht gepfändet werden. Die
Stadt selbst war für die Einlagen verantwortlich. Die Leitung der
Bank lag in den Händen eines aus drei Mitgliedern bestehenden Ausschusses,
der vom Stadtrat gewählt wurde. Der größte Tresorraum
der Bank lag unter dem Rathaus. Die gewöhnliche Kontoführung,
d. h. die Gutschrift von Beträgen bzw. die Belastung der Konten, war
kostenlos (bis 1683). Gewinne machte die Bank beim Geldumtausch


166   Die Bank von Amsterdam

 
und beim Kauf von Gold und Silber, wo sie Gebühren bis zu 2,5%
verlangte. ...

Das Agio

1611 zählte sie 708 Kontoinhaber mit einer Gesamteinlage von
925 000 Florin; 1701 waren es schon 2698 Kontoinhaber mit insgesamt
16 280 000 Florin.

Die Bank trennte die Vergabe von Krediten generell streng von den
anderen Bankgeschäften, und dies mit sehr guten Resultaten. Nur
drei Bankkunden durften ihre Konten überziehen: die Stadt Amsterdam,
die holländische Ostindiengesellschaft sowie im Jahr 1614 die
Bank Von Leening zum Zweck der Finanzierung einer städtischen
Kreditbank....


        9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   167

 
Diese Kontoüberziehungen begannen schon 1615, verursachten
... keinerlei Probleme – bis zum vierten
anglo-holländischen Krieg im Jahr 1780: Hollands Flotte hatte
schwere Niederlagen einstecken müssen, und Kriegsverluste bedrohten
die Existenz der Ostindiengesellschaft. ...

Auf einmal wollten die Kunden Münzgeld anstatt Buchgeld....

Nicolas Bond, ein holländischer Anwalt, argumentierte, dieses
Recht sei durch Nichtinanspruchnahme nicht verwirkt worden, und
verklagte die Bank auf Wiederaufnahme der Rückzahlung in Münzgeld.
Er gewann, und im Januar 1794 begann die Bank auf Verlangen


168   Die Bank von Amsterdam

 
Rückzahlungen auch in Münzgeld vorzunehmen. Da jedoch innerhalb
eines kurzen Zeitraums 2 Millionen Florin abgehoben wurden,
mußte die Rückzahlung nach wenigen Wochen eingestellt werden.
...  etwas später im Jahr löste Napoleons Invasion in Amsterdam
eine Revolution aus, während deren Repräsentanten des
Volks die bisherigen Herren der Stadt ersetzten.
...
1804 verfügte die Bank über Einlagen in Höhe von 7,1 Millionen
in Gold. Diese Summe wurde jedoch mit der Gründung der Bank der
Niederlande durch König Wilhelm I. von Holland im Jahr 1814 immer
geringer, da die Kunden dieser der Bank of England nachempfundenen
Notenbank Zinsen für ihre Einlagen erhielten. Die Bank
von Amsterdam, die bei ihrer Liquidation nur noch über Einlagen mit
einem Gesamtvolumen von 214 000 Florin (durch Gold im selben
Wert gedeckt) verfügte, wurde auf Geheiß des Königs aufgelöst.
...

        9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   169

 
Der Erfolg der Bank läßt sich darauf zurückführen, daß es sich
nicht um eine privat geführte Einrichtung handelte, bei der nur die
Interessen einiger weniger im Vordergrund standen, sondern um eine
öffentliche, von der Stadt geführte Institution zum Nutzen des Landes
und seiner Kaufleute. ...

Die dunkle Seite der Bank

Schon in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts führte die
Bank von Amsterdam den verbotenen Handel mit Edelmetallen weiter. 4
 ... Münzstätte beklagen denn auch die Bosheit einiger Menschen,
»die die besten unserer Münzen einschmelzen, um dann das Königreich
mit anderen Münzen minderer Güte zu überschwemmen und
sich so am Blut und Elend des Volks bereichern.« 5

170   Die Bank von Amsterdam


Die Juden Amsterdams

Die Juden Amsterdams spielten bei der Entwicklung der gegenwärtigen
Form des Kapitalismus und dessen weiterer Verbreitung nach
England eine Schlüsselrolle.

1492 wurden alle nicht konvertierten Juden von Ferdinand und
Isabella aus Spanien ausgewiesen. Viele von ihnen zogen zunächst
nach Portugal und dann weiter nach Antwerpen, als die Portugiesen
dort ihr Handelsdepot einrichteten. ...

1609 lebten 200 portugiesische Juden in Amsterdam, etwas später
waren es schon 1000 bei einer Gesamtbevölkerung von 115 000. Aufgrund
ihrer Verbindungen zu im Ausland lebenden reichen Marranen
war ihre finanzielle Macht groß. 1615 stellte Grotius für die jüdische
Bevölkerung 49 Regeln auf. ...


Der Handel mit der Levante

Aufgrund ihrer Verbindungen zur Levante spezialisierten sich die Juden
Amsterdams zunächst auf den Handel mit dieser Region. ...


            9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   171


Allerdings dominierte die jüdische Gemeinschaft die niederländischen
Kolonie in Brasilien. 1642, als die Kolonie auf ihrem
Höhepunkt war, kontrollierten die reichen jüdischen Einwohner den
Zuckerhandel. Die besten Positionen vergaben sie an neu
angekommene Mitglieder ihrer Glaubensgemeinschaft. 8 Sie
engagierten sich auch stark im Sklavenhandel mit Holland.
...
1631 gab es in der Bank von Amsterdam 1348 Konten, deren Inhaber
1,1% der Bevölkerung ausmachten. 89 der Kontoinhaber waren
Juden, das entspricht 9% der jüdischen Bevölkerung und
unterstreicht das Ausmaß ihrer ökonomischen Aktivitäten.

Amsterdams jüdische Bevölkerung:


1609
1630 1655 1674 1743 1780
Sephardisch: 200 1 000 1 800 2 500 3 000 3 000
Aschkenasisch: 0
0
0
5 000
10 000
19 000
Einwoher insgesamt
115 000


241 000 217 000


172   Die Juden Amsterdams

 
... Erst 1796 wurden den Juden in Holland die vollen
Bürgerrechte eingeräumt.


Piratenbeute wird umverpackt

Ein Teil der Juden Amsterdams wurde durch den Wiederverkauf der
Ladungen gekaperter Schiffe bekannt.... Sehr häufig verkaufen sie die Ware an dieselben
Händler, von denen sie geraubt wurde.«  10


Die jüdischen Verleger Hollands

Das Verlegen von Büchern gehörte zu den wichtigsten Aktivitäten der
Juden Amsterdams und war von entscheidender politischer Bedeutung
sowohl für England als auch für die Entwicklung des Protestantismus
und des Kapitalismus. Schon 1617 wurde von einer jüdischen
Schule eine Druckerpresse angeschafft; um das Jahr 1743 gab es in
Amsterdam deren vierzig. Gedruckt wurde in allen Sprachen, einschließlich
Griechisch, Hebräisch, Syrisch, Arabisch und Chinesisch.
Der größte Teil der Produktion war religiöser Natur und meistens für
den Export bestimmt. Die erste englischsprachige Zeitung in Amsterdam,
der Courant, berichtete erstmals im Jahr 1620 über Italien,
Deutschland usw.


Die große Bibelflut nach England

Der Jude Joseph Athias behauptete, mit seiner Druckerpresse so viele
englische Bibeln gedruckt zu haben, daß jedes Dienstmädchen und
jeder Pflüger anstreben konnte, eine davon zu besitzen.11 Dabei war
er nicht einmal der einzige jüdische Bibeldrucker Amsterdams. Her-


            9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   173


bert Bloom schätzt die Zahl der nach England und Schottland exportierten
Bibeln auf eine Million. Der Export einer solchen Menge
Bibeln nach England hatte weitreichende politische Auswirkungen
(siehe oben Seite 144).

Der bemerkenswerteste dieser jüdischen Drucker war Rabbi
Manasse ben Israel. Er stellte vor allem Bibeln her, auch das erste in
hebräischer Sprache gedruckte Buch wird ihm zugeschrieben. Rabbi
Manasse stürzte sich in große geopolitische Unternehmungen, vor
allem in bezug auf seine Beziehungen zu Oliver Cromwell. Zudem
spielte er eine bedeutende Rolle bei den Bemühungen um die Wiederzulassung
der Juden in England. 1290 waren die Juden wegen
ihrer Angriffe auf das britische Geldsystem von dort vertrieben worden.
... Wurde das Verlagswesen von den Juden dominiert, so war die
Börse von Amsterdam der Ort, der auf sie die größte Anziehungskraft
ausübte ... Schließlich
kontrollierten Amsterdams Juden nicht weniger als 25% der Aktien
der (holländischen) Ostindiengesellschaft.12


Die Börse von Amsterdam

Die Börse von Amsterdam (Abb. 23) entstand 1611 nach dem Vorbild
der Börse Antwerpens. ... In den 80er und 90er Jahren unseres Jahrhunderts
richtet sich der Blick häufig auf die als »Neuerungen« betrachteten
»Derivate«, auf Aktienindizes, Termingeschäfte und Optionskontrakte.

An der Börse in Amsterdam waren allerdings fast alle
diese »Neuerungen« schon im 17. und 18. Jahrhunderts in Gebrauch.
Wir finden dort dieselbe Art von Geschäften, dieselben allgemeinen
Bestimmungen zur Börsenordnung, genau dieselben Methoden, die



174   Die Börse von Amsterdam


Öffentlichkeit zu betrügen, und genau dieselben Methoden der
Marktmanipulation.

Eine ganze Reihe von Transaktionen konnte an der Amsterdamer
Börse abgewickelt werden:
1. Aktien gegen sofortige Barzahlung,
2. Kauf von Wertpapieren auf Marge (bis zu 80%),
3. Monatliche Fälligkeitstage – Abschluß auf den 20. des Monats,
Zahlung fällig am 25.,
4. Handel per Termin – Erfüllungstermin in der Zukunft,
5. Put- und Call-Optionen mit sofort bei der Bank von Amsterdam zu
zahlenden Prämien.

Geschäfte wurden mit Handschlag besiegelt. Der Börsenhandel konnte
extrem schleppend, aber auch sehr lebhaft verlaufen. In Zeiten heftigen
Börsenfiebers wurde bis vier Uhr morgens in einem Kaffeehaus in
der Nähe der Börse weiter gekauft, verkauft und spekuliert.13

Die bedeutendsten Aktien waren die der holländischen Ostindiengesellschaft.
Sie wurde zu 6,4 Millionen Florin kapitalisiert, eine
Summe, die über 64 Tonnen Gold entsprach. Während der ersten
sechs Jahre ihres Bestehens wurde eine Dividende von jährlich
25-30% ausgeschüttet. 1612 waren es 57%, 1613 weitere 42%. ...

Die Gesellschaft war 1602 gegründet worden, und schon 1607 wurden
ihre Aktien mit 100% über dem Nennwert gehandelt. 1609 lagen
sie jedoch nur noch 30% über pari, was einer Baisse von zwei Dritteln
entsprach. Hierfür verantwortlich gemacht wurden Leerverkaufspraktiken,
die im Jahr 1610 per Gesetz verboten wurden. ...standen die Aktien 1688 580% über
pari ...


9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   175

 
Leerverkäufe werden für nichtig erklärt


Leerverkäufe stellten jedoch weiterhin ein Problem dar. Im Jahr 1687
schrieb der Anwalt Nicholas Muys Van Holz ein Buch, in dem er diese
Praxis scharf verurteilte. Seiner Ansicht nach hatten die jüdischen
Börsenmakler einen wesentlichen Anteil daran. ...

Der Börsenjargon

Der an der Börse von Amsterdam gebräuchliche Jargon unterscheidet
sich im wesentlichen kaum von dem heutigen. Auch in Amsterdam
gab es bulls (Liefhebberen), bears (Contremines – gegen die
»Mine« Indiens) und butterflies, die zwischen den bulls und bears
flatterten. ...14

Der Betrug der Öffentlichkeit

Wie heute war Betrug auch damals in Amsterdam ein nicht wegzudenkender
Bestandteil der Börsenaktivitäten. ...

176   Die Börse von Amsterdam

 
a) Mißbrauch von Kundenaufträgen durch Börsenmakler

An der Börse gab es zwei Arten von Börsenmaklern. Zum einen gab

es offiziell ernannte oder »vereidigte« Makler (375 Christen und 20
Juden), zum anderen mehr als 700 »freie« Makler, die nicht vereidigt
waren (größtenteils Juden). ...

Das dual trading war eine wichtige Praxis an den amerikanischen
Warenbörsenskandalen in den späten 80er Jahren unseres Jahrhunderts.
Im Grunde genommen handelt es sich bei dual trading um eine
Lizenz zum Diebstahl. Einige Staatsanwälte propagierten zwar dessen
Verbot, die Öffentlichkeit durchschaute jedoch nicht, worum es
eigentlich ging, und so konnten die politisch mächtigen Warenbörsen
mit ihrer großen Finanzkraft eine entsprechende Gesetzgebung
verhindern.*
-------------------------------------------------------------
* Autor spricht hier aus eigener Erfahrung, da er über mehrere Jahre als »floor trader
« an der NYFE CRB, einer Tochtergesellschaft der New Yorker Börse, gearbeitet hat.


9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   177

 

178   Die Börse von Amsterdam


b) Betrug durch Preismanipulationen hinter den Kulissen

1688 schrieb der Börsenmakler Joseph De La Vega in Amsterdam
ein Buch mit dem Titel Confusione de confusiones,15 in dem er eine
lebhafte Beschreibung der Börsenaktivitäten liefert. Bis ins kleinste
Detail zeigt er darin auf, welche Strategie die Börsenmanipulatoren
jener Zeit verfolgten, um die Preise in den Keller zu drücken – eine
Strategie, die im heutigen Jargon bear campaign genannt wird ...

9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   179


c) Betrug durch Ausnutzung struktureller Fehler im Marktmechanismus

Der Handel mit dem Ducatoon führte zu strukturellen Fehlern im
Markt. Die Ducatoons waren keine richtigen Aktien, sondern imaginäre
Einheiten, die von einem Kassier in Form von Buchungseinträgen
verwaltet wurden. ...


180   Die Börse von Amsterdam


Englands ineffektive Marine

Zwischen 1609 und 1667 konzentrierten sich die Holländer stärker
auf internationale Geschäfte. Sie errichteten dabei ein Handelsimperium,
das vom Niedergang der Portugiesen profitierte. Dies brachte


9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   181


sie in Konflikt mit den Engländern...

Die französische Invasion im Jahre 1672

Im Jahre 1672 fielen die Franzosen in Holland ein ...18
Die jüdische Gemeinschaft bot den Franzosen 2 Millionen
Gulden, wenn sie die jüdischen Stadtgebiete verschonen würden. 19
Die Holländer hatten jedoch noch einen strategischen Vorteil
– die Möglichkeit, Teile des Landes zu überfluten....


Die Vernachlässigung des Handels durch die Holländer

Die Entwicklung einer seltsame Blüten treibenden spekulativen Psychologie
blieb für Amsterdam nicht ohne Konsequenzen. Während
die Christen Aktivgeschäfte betrieben (also Geld ausliehen), konzentrierten
die Juden ihre Aktivitäten auf die Börse, ja sie begannen, die
Zunft der Börsianer zu dominieren. Die portugiesischen Juden hatten
sich vom Handel vollständig abgewandt, um sich dem Spekulie -
ren auf dem Aktienmarkt zu widmen. 20

Die Konzentration auf Finanzgeschäfte führte schließlich zum
Niedergang der meisten holländischen Kaufleute....


182   Die Vernachlässigung des Handels durch die Holländer


Zudem nahmen nicht nur Angehörige der wohlhabenden Klassen
an den Börsenaktivitäten teil; zum ersten Mal in der Geschichte beteiligten
sich auch gewöhnliche Bürger an in großem Stil abgewickelten
internationalen Finanzgeschäften.


Der Kosmopolitismus schadet Holland

Die Spezialisierung auf das internationale Finanzwesen führte zu
einer kosmopolitischen Haltung, aufgrund deren die reichsten Holländer
eine Mißachtung für die eigene Gesellschaft und die eigenen
Landsleute entwickelten. Die wachsende Bedeutung des Finanzsektors
der holländischen Wirtschaft scheint eine vermehrte Konzentration
des Reichtums in den Händen einer kleinen Gruppe reicher
Rentiers mit sich gebracht zu haben. Zudem führte die starke Verwicklung
der reicheren Klassen in ausländische Investitionen zu einer
gewissen Entfremdung von den nationalen Interessen, ... Nach 1715 spielte die Republik
in den europäischen Angelegenheiten keine nennenswerte Rolle mehr.
... Das Steuersystem bürdete die Last denen auf, die am wenigsten
fähig waren, sie zu tragen; die Ressourcen der reicheren Bevölkerungsteile
wurden so gut wie gar nicht angezapft. 23
...

9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM   183


Holland finanziert England

Die Briten nahmen spätestens ab 1642 enorme Kredite bei den
Holländern auf. ...

Ab 1750 war holländisches Kapital überall zu finden. Etwa ein
Drittel der britischen Staatsschulden wurde bei den Holländern gemacht, ...
Das Anteilsystem wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts von portugiesischen
Juden aus Amsterdam am London Exchange eingeführt. 26

Aus der Einwanderung einer kleinen, aber bedeutenden Gruppe
holländischer Händler und Finanziers nach London – Christen und
Juden zusammen mit Hugenotten, die über Holland kamen – erwuchs
der kosmopolitischen Finanzkompetenz der Juden Konkurrenz.
Das System zur Finanzierung der Regierung war dem holländischen
Modell nachempfunden, und nicht wenige holländische
Hände waren bei dessen Schaffung beteiligt. Nun treffen wir auf die
Namen einiger der berühmten portugiesisch-jüdischen Familien, die
ein Jahrhundert zuvor in Holland Zuflucht gesucht hatten – die Medinas,
die Suassos und die Pintos –, und auch auf holländisch-christliche
Namen – die Van Neckers, Van Nottens, Van Hemerts. 27 ...


184   Holland finanziert England


Die Holländer verlegen sich auf die Unterstützung der Vereinigten Staaten

Im Jahr 1780 waren die Holländer die Gläubiger von 3/7 der englischen
Staatsschulden. ...29

Nach der amerikanischen Revolution erlosch das Vertrauen der
Holländer in die Engländer, und sie wendeten sich den Amerikanern
zu. Zwischen 1782 und 1790 gewährte Holland Amerika Kredite in
Höhe von 29 Millionen Gulden. ...

10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND   185


 
10. Kapitel  Der Transfer des Kapitalismus
nach England



»Was haben wir denn durch unsere Befreiung von der
Tyrannei des Papstes gewonnen, wenn diese kleinen Leute dafür
einrücken, ...?«
                                                                        Thomas Hobbes


Das niederländische Haus Oranien – mit den Calvinisten
als Verbündeten – unterminierte Hollands republikanische Verfassung
von der Mitte des 17. Jahrhunderts an. ...

Der Bruch mit Rom

Bis zum Bruch Heinrichs VIII. (1491-1547) mit der römisch-katholischen
Kirche war England eine katholische ...

Für den Bruch gab es jedoch auch ein finanzielles Motiv: Als Heinrich
VIII. mit Rom brach, geschah dies unter dem Einfluß von Thomas
Cromwell. 1 Auf seinen Vorschlag hin begann Heinrich, den
Landbesitz der Klöster aufzulösen. Als zwischen 1536 und 1553 der


186   Der Bruch mit Rom

 
riesige Landbesitz der Klöster enteignet wurde – zuerst die kleineren,
dann die größeren Ländereien –, entstand eine neue Klasse von Millionären.
1545 legalisierte Heinrich den Zinswucher bis zu einem Gewinn
von 10% jährlich.


Englands monetärer Hintergrund

England hatte gegenüber dem kontinentalen Europa zwei Vorteile: ...

Mit dem Niedergang Westroms brach das Geldsystem in England
vollständig zusammen, und es fand eine Rückwärtsentwicklung zum
Tauschhandel statt. Von 430 bis 630, also über einen Zeitraum von
200 Jahren, war in England kein Münzgeld im Umlauf. 2
...
wie groß der Überfluß an Silber
in jener Zeit war, wird auch an den enormen Tributzahlungen an
die Dänen deutlich. So belief sich das »Danegeld« im Jahr 991 auf
10 000 und 1018 sogar auf 82 000 Pfund Sterling. 4

Die angelsächsischen Könige hatten nicht weniger Kontrolle über
das Geldwesen ihres Reichs als der Kaiser von Byzanz über das seine.
...

        10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND   187


Eine Besteuerung über das Geldsystem

Zur Zeit der angelsächsischen Könige wurde das Münzgeld etwa alle
sechs Jahre neu geprägt. Sämtliche Münzen wurden eingezogen, und
für vier dieser Pfennige wurden drei neue ausgegeben. Dies entsprach
einer Steuer von 25% bzw. von 4% jährlich.... ds*)

Englands Goldmünzen

Die erste englische Goldmünze wurde 1257 unter Heinrich III. ge -
prägt. Sie hatte ein Gewicht von 43 Gran und wurde bei einem Silber-
Gold-Wertverhältnis von 10 : 1 mit 20 Silberpfennig bewertet. Diese
Münze konnte sich nicht allgemein durchsetzen, wurde daher zurückgezogen
und 1343 durch den Noble ersetzt, der bei einem Silber-
Gold-Wertverhältnis von 11 : 1 134 Gran wog. Nobles hatten exakt
das doppelte Gewicht eines Besant und waren die ersten englischen
Münzen, die mit der Aufschrift »durch die Gnade Gottes«, nicht

-----------------------------------------------------------------------
ds*) vgl. Brakteaten. 

188   Englands monetärer Hintergrund

 
»durch die Gnade Cäsars« geprägt wurden. ...


Die Münzhoheit der Krone

Das wohl bedeutendste Charakteristikum des englischen Geldsystems,
...  sich die monetäre Macht
in den Händen des Königs konzentrierte, anstatt auf mehrere Edelleute
verteilt zu sein. Aus diesem Grund litt das Land weniger unter
monetärem Chaos als die Nationen, die sich auf dem europäischen
Kontinent entwickelten.

Unter Heinrich II. (1154-1189) wurde die Besteuerung verstaatlicht; ...

Unter Eduard III. erlangte das Unterhaus drei Privilegien. Zum ersten
war jegliche Besteuerung von der Zustimmung des Parlaments
abhängig. Zum zweiten waren sowohl das Oberhaus als auch das Unterhaus
an der Gesetzgebung beteiligt; und zum dritten wurde dem
Parlament das Recht zuerkannt, bei Übergriffen der Verwaltung zu
ermitteln und Abhilfe zu schaffen.
...
Entgegen den heute gängigen Vorurteilen wurde von dem lange
bestehenden Münzregal des Königs durchaus auf verantwortliche
Art und Weise zum Nutzen der Nation Gebrauch gemacht..... 9


        10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND   189


Der Kampf um die Kontrolle des englischen Geldsystems

Der Mixt Moneys Case— die Wiederentdeckung der Lehre vom Geld

Das Gerichtsurteil im Mixt Moneys of Ireland Case,
... gab Elisabeth I. im Mai 1600 aus unedlem Metall hergestelltes
Münzgeld als offizielles Zahlungsmittel in Irland aus. Alle anderen
Münzen wurden für ungültig erklärt und mußten an die Münzstätten
zurückgegeben werden. ...

»Bei Geld handelt es sich um einen staatlichen Wertmaßstab ..., und
jeder Staat entwickelt sein eigenes Geldwesen.
Der Herrscher – oder von ihm autorisierte Personen – haben das
Recht, das Geld seines Einflußbereichs zu schaffen, und es ist Verrat,
wenn andere das tun. ... Erklärt der Herrscher, ein Geldstück sei ein
Pfennig, Groat oder Schilling, so ist das so.
Der Herrscher hat das Recht, die Geldmenge zu erhöhen oder zu
verringern, ... den gesetzlichen Wert des Geldes zu erhöhen oder zu
verringern, ...« 10
...

190   Der Kampf um die Kontrolle des englischen Geldsystems


Das erste Ziel war es, der britischen Krone die Kontrolle des Geldwesens
zu entreißen und die Zügel statt dessen den Kaufleuten und
Finanziers in die Hand zu geben. Dies geschah durch Unterminierung
der Krone und durch die Verabschiedung des Free Coinage Act
im Jahr 1666. ...

Die religiöse Unterminierung der Monarchie

Thomas Hobbes, ...

B »Wie aber wurde denn das Volk so verderbt? Und was für Leute
konnten es so verführen?«
...

        10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND   191



192   Englands monetärer Hintergrund

 
Die Wiederzulassung der Juden in England

Münzverschlechterung durch das Beschneiden der Münzen am
Rand, das sogenannte clipping, stellte in England ein beträchtliches
Problem dar. Im Jahr 1205 erklärte König Johann I. alle Münzen für
ungültig, von deren Rand mehr als ein Achtel abgezwackt worden
war. Er sagte allen Abzwackern den Kampf an, hauptsächlich den Juden,
die er vor allem für verantwortlich hielt.17

Wie auch anderswo in Europa standen die Juden in England unter
dem Schutz des Königs, der beträchtliche finanzielle Forderungen an
sie stellte. Da er ihnen auch Wuchergeschäfte erlaubte, konnten sie
diese Verluste auf Kosten des Volks wieder wettmachen. Das von
ihnen betriebene Beschneiden der Münzen wurde jedoch nicht als
Teil des Geschäfts toleriert.

Im Jahr 1275 verbot Eduard I. den Juden jede Art von Wuchergeschäften
und erlaubte ihnen gleichzeitig, Handel zu treiben und Land
zu pachten, um darauf zu arbeiten.18

Nur wenige Juden verlegten sich aber auf den Handel oder die
Landwirtschaft. Viele gingen nun heimlich ihrer ursprünglichen Beschäftigung
nach.19


Clipping - ein ernstzunehmendes Problem

Die »Clipper« gingen schrittweise vor und zwackten zunächst Stücke
vom Münzrand ab, die zwischen 5 und 10% der Münze ausmachten.
...

10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND 193


Die Verhaftung der »Clipper«

Am 17. November 1279 wurde eine große Anzahl Juden in ganz England
verhaftet. Bei Hausdurchsuchungen fand man große Mengen an
Silber, das von Münzen abgezwackt worden war. Nach Roth wurden
680 Juden eingesperrt, 273 von ihnen gehängt – zusammen mit drei
christlichen Goldschmieden. Das Problem blieb jedoch bestehen, und
im Juli 1290 ließ Eduard alle 16 511 Juden aus England ausweisen.

Die höfliche Vertreibung

Die Vertreibung ging auf sehr geordnete Art und Weise vonstatten.
...

Menasse ben Israel

In der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Aufhebung dieser Verbannung
zum Hauptanl iegen einiger zusammen agierender jüdischer
Gemeinschaften Europas. Ihr führender Kopf in Holland war
Rabbi Menasse ben Israel (siehe oben Seite 173), der von einigen der
reichsten jüdischen Händler unterstützt wurde. In einer 1649 eingereichten
Petition an den English Council boten sie 500 000 Pfund Sterling
für die Rücknahme der Gesetze gegen die Juden, für die Zusprechung
der Bodleian Library in Oxford sowie für die Umwandlung der
St.-Pauls-Kathedrale in eine Synagoge ....20


194 Die Wiederzulassung der Juden in England



Nach einer unterwürfigen Widmung der Abhandlung an das Parlament
warnte er davor, daß all jene, die gegen die Juden handelten,
von Gott bestraft würden. Als Beispiele führte er das Königspaar Ferdinand
und Isabella von Spanien, das römische Pompei und Nebukadnezar
von Assyrien an. Menasse sagte, der Messias komme, sobald
die Juden auf der ganzen Erde verteilt seien. ...21

Oliver Cromwell als »Messias«

...
Die Engländer gingen bei ihren Überlegungen bezüglich der Wiederzulassung
der Juden sehr vorsichtig vor. So wurden bedeutende
Juristen des Landes konsultiert, unter ihnen John Dury, der im deutschen
Kassel lebte. Er riet aufgrund seiner Erfahrungen ab. Menasse
ben Israels Forderungen seien groß, und der Nutzen, den die Juden
aus diesen Privilegien machen würden, sei ihrem Ruf nicht zuträglich.
Wenn sie nicht klug in den Schranken gehalten würden, so würden
sie in kurzer Zeit zu einem Problem.23

... Cromwell wurde wegen der Messias-Farce scharf kritisiert. Den Juden
wurde die Wiedereinreise nicht offiziell erlaubt, sie kehrten jedoch,
von Cromwell geduldet, ab 1650 in aller Stille zurück.


10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND 195

 
Die Unterminierung der Monarchie über das Geldsystem

... »Wenn der Staat nicht außerordentlich viel
Mühe darauf verwendet, das Beschneiden und Aussuchen des Münzgelds
zu verhindern, wird Euer gesamtes Silbergeld von Goldschmieden
und anderen mißbraucht. Und wenn der Staat nicht für die Anstellung
von Leuten sorgt, die solche Übeltäter entdecken können,
sondern Personen an der Münzstätte arbeiten läßt, die über keine Erfahrung
verfügen, muß hieraus großer Schaden erwachsen.«24

Der Blondeau-Vorfall

...der Franzose Pierre ... Blondeau hatte eine Maschine erfunden, die das Abzwacken
vom Münzrand verunmöglichte, da die mit dieser Maschine hergestellten
Münzen mit gerändelten Kanten versehen wurden. In Frankreich
kam diese neue Methode schnell zum Einsatz. Blondeau kam
1649 nach London,  ...

196 Die Unterminierung der Monarchie über das Geldsystem

 
... Cromwell jedoch
gegen die Ausgabe der Münzen, und Blondeau kehrte danach,
offenbart angewidert von der Affäre, nach Frankreich zurück.25

Die fiskalische Strangulierung Karls II. (1630-1685)

England schüttelte schließlich die Diktatur Cromwells ab, seine Leiche
wurde aus der Westminster Abbey geholt und an den Galgen des
Tyburn-Gefängnisses gehängt. Zwar wurde Karl II. 1660 gebeten,
nach England zurückzukehren; das Parlament beabsichtigte jedoch,
ihn finanziell an kurzer Leine zu halten.

... Unmittelbar
nach seiner Rückkehr nach England bat Karl II. Blondeau zu sich und
machte ihn zum Ingenieur der Münzstätte. Neue, mit gerändelten
Kanten versehene Münzen wurden ab 1663 hergestellt.

Karl II. benötigte ein stehendes Heer, ...  Karl II.
blieb nichts anderes übrig, als sich die benötigte Summe zu einem Zinssatz
von 8% bei den Goldschmieden zu leihen. Bürgschaft waren die
Steuern, die vom Parlament noch bewilligt werden sollten. Als diese
Bewilligung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurde, verlangten
sie Zinssätze, die sich zwischen 20 und 30% jährlich bewegten.
...

10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND 197


Die Goldschmiede erhalten Rückendeckung von den Holländern

Die Goldschmiede beschnitten die englischen Münzen und exportierten
die abgezwackten Stücke. Schwerere Münzen gingen nach
Holland ....28

Das Papiergeld-Experiment Karl s I I .

Im Jahr 1667 begann Karl II. schließlich, Papiergeld auszugeben, um
für die Staatsausgaben aufzukommen. Bei diesem Papiergeld handelte
es sich um königliche Zahlungsanweisungen, die von den Inhabern
– wer immer diese auch waren – nach Ablauf eines Jahres in
Münzgeld umgetauscht werden konnten. Mit diesem Experiment
wurde im Westen zum ersten Mal Papiergeld geschöpft ...


198 Das Papiergeld-Experiment Karls II.


Aber die Goldschmied-Bankiers brachten dieses monetäre Experiment
zum Scheitern. ...

Die Goldschmiede sprachen sich jedoch untereinander ab und
verlangten für den Umtausch saftige Gebühren. Auf diese Weise
brachten sie Karls Zahlungsanweisungen in Mißkredit. So mußte
Karl, der im Jahr 1672, also mitten im Krieg mit Holland, enorme
Ausgaben zu bestreiten hatte, deren Finanzierung durch Steuermittel
das Parlament verweigerte, feststellen, daß seine Gläubiger keine Bezahlung
in seinem Papiergeld mehr akzeptieren wollten. ...29
Sie stellten also die Zahlungen an ihre Deponenten sofort ein und
horteten ihre beträchtlichen Münzreserven. ...

Der Free Coinage Act von 1666

Der Free Coinage Act sah vor, daß jederman Gold- und Silberbarren
zur Münzstätte bringen und daraus kostenlos Münzen prägen lassen
konnte. ...


10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND 199


... Der Free Coinage Act machte vor allem das königliche
Münzregal zunichte, annullierte den Mixt Moneys Case und leitete
auf dem Handelssektor eine ganze Serie Paniken und Katastrophen
ein, wie sie bis zu dieser Zeit nicht bekannt waren.
...

200 Der Free Coinage Act von 1666

 
Die britische Ostindiengesellschaft

Die britische Ostindiengesellschaft war mit einem Anfangskapital
von £ 740 000 im 17. und 18. Jahrhundert die größte an der englischen
Börse gehandelte Gesellschaft. ...

...  Es gab 550 Aktionäre,
aber der größte Teil der Aktien war im Besitz von nur 40 Personen.
...

Die Ostindiengesellschaft exportiert den Silbergeldbestand
Englands


... Die britische
Ostindiengesellschaft brachte britische Silbermünzen nach Indien,
um – unter anderem – Gold dafür zurückzubringen. John Locke
hatte im Jahr 1718 Informationen darüber, daß die Ostindiengesellschaft
Silber exportiere und in einigen Gegenden Indiens zu einem
Profit von 50% zu Gold machte. ... 32
...

10 DER TRANSFER DES KAPITALI SMUS NACH ENGLAND 201

 
Wilhelm III. von Oranien ergreift 1688 die Krone

...  Nach Jahren der Planung landete Wilhelm schließlich
im November 1688 an Englands Küste (Glorious Revolution).

Für diesen Angriff erhielt Wilhelm beträchtliche finanzielle Unterstützung
von den holländischen Juden. Isaac Lopez Suasso aus Den
Haag stellte ihm zinslos zwei Millionen Goldkronen zur Verfügung,
wofür er später zum Baron d'Avernas le Gras gemacht wurde.33

...  »Der Prinz von Oranien brachte das Geheimnis, wie
Volksversammlungen beherrscht werden können und wie den verschiedenen
Bevölkerungsgruppen hohe Steuern zu entlocken sind,
aus der Republik Holland mit, wo aus diesemWissen gründlich Nutzen
gezogen wurde. ... Seine ganzen Bemühungen waren darauf
gerichtet, die Mehrheit der Wahlkreise durch Korruption und die
Mehrheit der Stimmen des Parlaments durch Patronage zu erhalten.
... Zu dieser Zeit nahm auch die Staatsverschuldung ihren Anfang,
die Regierung lernte das gefährliche Geheimnis, durch das Borgen
von Geld seinen Einfluß zu bewahren und die Rückzahlung in die
Zukunft zu verlegen.« 34
...
Wilhelm III. wurde von Holländern unterstützt, und einige Jahre
nach seiner Landung hatte Großbritannien auf einmal eine fundierte
Staatsschuld nach holländischem Modell sowie eine Bank von England,
die ebenfalls mit Kapital aus Amsterdam gegründet wurde. ... 36


202 Der Free Coinage Act von 1666


... Als sich die Wogen
etwas geglättet hatten, wurde den Juden die Rückkehr aufgrund eines
königlichen Dekrets erlaubt – das Parlament wurde bei dieser Entscheidung
übergangen.

In der Jewish Encyclopedia ist folgendes zu lesen: »Mit der Herrschaft
Wilhelms III. war für die Juden eine außergewöhnliche Prosperität
verbunden.«
...
Diejenigen, die für den Verrat der Kriegsfinanzierung,
für privat geführte und kontrollierte Banken, für die Entstehung
einer gigantischen Staatsverschuldung mit entsprechend harter
Besteuerung verantwortlich sind, können nicht immer als eine bestimmte
nationale, religiöse oder ethnische Gruppe identifiziert werden,
sondern gehören eher einer Gruppe bzw. Bande von Finanzleuten an,
die nicht groß genug ist, um als Klasse bezeichnet zu werden.


11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT 203

 
11. Kapitel   Die Bank of England wird ausgeheckt




        Die »Renaissance des Nordens« veränderte im 16. und
17. Jahrhundert zwar die Ökonomien Europas, die Entstehung eines
entsprechenden Bewußtseins von den monetären Prinzipien ging damit
jedoch nicht einher.

Der Machtzuwachs der Amsterdamer Börsenmakler basierte auf
einem Edelmetallgeldbestand, der zum größten Teil durch zwei Jahrhunderte
des Genozids an den Indianern Mittel- und Südamerikas
beschafft worden war. ...

Englands Free Coinage Act von 1666 entzog der Krone die Kontrolle
über das Geldwesen und gab sie in die Hände von Kaufleuten.
...  der die institutionelle
Form einer privaten, privat kontrollierten Zentralbank annehmen
sollte.

Die Lehre vom Geld wird wiederentdeckt – und mißbraucht

Die erste Notenbank im Westen war die Bank von Schweden (1661).
Aber erst die Gründung der Bank of England signalisierte die Wiederentdeckung
der verlorengegangenen Lehre vom Geld. ...

204 Die Lehre vom Geld wird wiederentdeckt — und mißbraucht

 
...  eine hochexplosive Waffe wurde in die Hände eines potentiellen
Soziopathen gegeben.
...

Die Institutionalisierung des Wuchers

Durch die Bank of England wurde der Wucher in der modernen Welt
institutionalisiert. Bei Wucher handelt es sich um den kalkulierten
Mißbrauch des Geldsystems für private Zwecke (siehe oben Seite 135).

Die Bank of England wurde 1694 gegründet. ...

Das erste ins Detail gehende Werk über die Bank of England ist The
History of the Bank of England
des griechischen Professors Andreas
Andreades aus dem Jahre 1909. ...

11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT 205


Die Notwendigkeit einer Bank
...
In der Mitte der 90er Jahre des 17. Jahrhunderts hatte das Münzgeld
Englands durch Abzwacken vom Münzrand bis zu 50% an Gewicht
verloren ... 1

206 Die Lehre vom Geld wird wiederentdeckt — und mißbraucht


ZahlreicheVorschläge zur Gründung einer Bank

... Zweimal wurden sogar
negative Zinssätze vorgeschlagen und damit die Theorien von Silvio
Gesell vorweggenommen. Mindestens vier Vorschläge kamen von
William Paterson (1658-1719), dem späteren Gründer der Bank of
England
.3 Die Pläne des mit John Law verwandten Schotten William
Paterson konnten jedoch erst 1694, nach der Landung Wilhelms III.
von Oranien, in die Tat umgesetzt werden.

Der Vorschlag Patersons; Montagus Bank

... kann die Annahme von Patersons Plan nur mit
der Unterstützung durch zwei Männer von außergewöhnlichem Einfluß
und besonderer Entschlußkraft erklärt werden — Charles Montagu
(1661-1715), Schatzkanzler, und Michael Godfrey, Neffe von Sir
Edmundbury Godfrey.4 ...
Charles Montagu muß eigentlich als der wahre Gründer der Bank of
England
angesehen werden, denn er war es, der den Plan durchs Parlament
brachte, während Godfrey sich um die Zustimmung der Londoner
Kaufleute bemühte.

Paterson war jedoch mehr als nur ein Strohmann. Sein Biograph
Sax Bannister berichtete über enge Beziehungen zu den reichen Juden
Londons und vermutlich auch Amsterdams und Deutschlands.5
...

11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT 207


Paterson ... mag er die unterschiedlichsten
Gründe gehabt haben, ... eine Bank zu gründen, die
dessen Kriege finanzieren würde und ausländischen Geldverleihern
die Möglichkeit gab, Englands Geldsystem mit aus dem Osten stammenden
üblen Methoden zu dominieren.

Die Gründung der Bank wird in aller Stille vorangetrieben

Über die Diskretion, mit der die Gründung dieser »Revolutionsbank
« – wie sie genannt wurde – vorangetrieben wurde, sagte Bannister,
es sei die ganze Zeit hinweg vermieden worden, von einer »Bank«
oder »Gesellschaft« zu sprechen, ..., um es dem Parlament akzeptabel
erscheinen zu lassen.7

Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt – eine Taktik, die in Amerika
bei der Verabschiedung von Gesetzen über das Geldwesen Schule machen
sollte –, wurden die mit der Gründung der Bank of England notwendig
werdenden Gesetze in aller Stille verabschiedet – als Zusatz zu
einem Steuergesetz über Schiffstonnage.


208 Die Gründung der Bank wird in aller Stille vorangetrieben


Die Funktion der Bank

Der vorgegebene Beweggrund für die Gründung der Bank war die
Beschaffung eines enormen Kredits für die Regierung Wilhelms III.
...
Der Bank war es erlaubt, Noten in derselben Höhe auszugeben, wie
sie Kredite an die Regierung vergab. Oder anders ausgedrückt: Die
Schulden der Regierung dienten der Bank als Reserve. ...
 
... die Bank könne sich auf eine Reserve stützen, die nur beim Untergang
der Nation zunichte würde.8

...  die Regierung hätte schließlich
zu denselben Konditionen eigene Noten ausgeben können —
ohne jegliche Zinszahlungen. Im Gegensatz zur Bank von Amsterdam
wurde die Bank of England eben von Privatleuten kontrolliert.

Die Charter der Bank

Die Bank erhielt eine Lizenz für 12 Jahre, beginnend am 27. Juli 1694. ....9


11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT 209


... Daher sollten
die Noten bald mit dem Staat identifiziert werden: »Nur sehr wenige
Fremde verstehen die Natur der Bank. Sie betrachten ihre Noten stets
als Noten des Staats«, schrieb Sir Francis Baring?10 Vermutlich ging es
den meisten Engländern ebenso. Auch ...dem Adam Smith ...

Der Widerstand gegen die Bank regt sich

Innerhalb kürzester Zeit regte sich beträchtlicher Widerstand gegenüber
der Bank. ...  Im
Unterhaus des Parlaments wurde bemängelt, daß diese Bank nicht
unter Kontrolle der Regierung stand.11
...

210 Der Widerstand gegen die Bank regt sich


Das Land Bank-Fiasko der Tories

Der Widerstand gegen die Bank hielt an. Im April 1696 gründeten die
Tories die Chamberlain's Land Bank, die der Bank of England Konkurrenz
machen sollte. ... als bei der Zeichnung im August 1696 nur eine
Summe von wenigen tausend Pfund zusammenkam, wurde das Projekt
der Chamberlain's Land Bank aufgegeben.13

11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT 211


Die erste Krise der Bank of England

Ebenso von der Neuprägung bet roffen, durchlief die Bank 1696 – nur
zwei Jahre nach ihrer Gründung – ihre erste Krise, ... Pater -
sons Ansicht nach sollten die Direktoren ihre Macht nutzen und von
den Anteilseignern mehr Gold verlangen: »Oder sollen sie etwa auf
Kosten der Nation verhätschelt werden? ...
So wie wir Bettler auffordern zu arbeiten, muß ich diese Männer auffordern
zu zahlen. Sie sind reich und sind dazu imstande.«14

Der Angriff der Goldschmiede

Kurz vor der geplanten Verlängerung der Lizenz der Bank kam es
1707 aufgrund einer Konspiration der Goldschmiede zu einem enormen
Run auf die Bank. ...

Die Bankdirektoren verfolgten eine einfache, aber brillante
Strategie, indem sie sich schlichtweg weigerten, die Banknoten
der Goldschmiede einzulösen, ...

212 Der Widerstand gegen die Bank regt sich

 
DieWeiterentwicklung der Bank

Die Bank of England hatte Erfolg, wo andere scheiterten, da sie ohne
jegliche ideologische Skrupel jedes Ereignis nahm, wie es kam. Die
Direktoren der Bank zögerten nicht, ihre eigenen Regeln und Versprechungen
zu brechen, wenn das Überleben dies diktierte.

...  Daher konzentrierten sich
Macht und Reichtum der Bank innerhalb eines kleinen Kreises, und
es wurde ihr oft vorgeworfen, in die Hände eines engen Kreises verwandter
Familien gefallen zu sein, die ihre Interessen über die der
kommerziellen Welt stellten.15

Ricardo greift die Geldschöpfungsmacht der Bank an

Der englische Jude David Ricardo (1772-1823) gehörte zu den wenigen,
die das Wesen der Bank erkannten und öffentlich machten.
... 1816 griff Ricardo die Existenzgrundlage der Bank an: »Sie
haben die Macht, die vorhandene Geldmenge nach ihrem Belieben
und ohne jegliche Kontrolle zu erhöhen oder zu verringern: eine
Macht, die weder dem Staat selbst noch irgend jemandem darin anvertraut
werden sollte. ...  die Leichtfertigkeit zu mißbilligen, mit der


11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT 213

 
der Staat die Bank mit einem solch erstaunlichen Vorrecht ausgestattet
hat.« 16

1823 nahm Ricardo all seinen Mut zusammen und schlug die
Gründung einer englischen Nationalbank vor....

Aus den folgenden Gründen propagierte Ricardo eine staatliche
Bank: »Wenn Papiergeld nicht mehr von der Bank geliehen werden
müßte, sondern wenn die Ausgabe von Papiergeld einzig und allein
in den Händen der Regierung selbst läge, dann würde dies in bezug
auf die Zinsen einen offensichtlichen Unterschied machen.... «18
...

Der Mißbrauch der Lehre vom Geld

Die Gründung und Leitung der Bank of England zeigt, daß die wesentlichen
Prinzipien der Geldlehre den Holländern, Juden und englischen
Geldverleihern, die die Bank organisierten und kontrollierten,
bekannt waren, ...


214 Der Mißbrauch der Lehre vom Geld


Das erste dieser Prinzipien lautet, daß der Wert des Geldes nicht
von dessen Materialwert abhängt, sondern von gesetzlichen Bestimmungen.
»Alles kann als Geld zirkulieren; Papier ist als repräsentativer
Wert genauso geeignet wie Gold, und in vielerlei Hinsicht
ist es besser«, schrieb Sir Francis Baring19

Zum zweiten können per Gesetz auch andere Medien (als Edelmetalle)
zu Geld gemacht werden, indem diese vom Staat für die
Zahlung von Steuern und Abgaben akzeptiert werden.

Das wichtigste aller monetären Prinzipien wurde jedoch übersehen
– das Prinzip der Gerechtigkeit innerhalb der monetären
Strukturen.

Die korrumpierte Lehre vom Geld führt zu schädlichen Resultaten

Diese unethische Anwendung korrekter Prinzipien des Geldes mußte
zwangsläufig zu schädlichen Resultaten führen. Zu den negativen
Auswirkungen der Bank of England zählten ständige Kriege, ein nicht
mehr abzutragender Schuldenberg und eine enorme Steuerlast. Die
Praxis der Bank hatte eine spekulative Finanzordnung sowie entsetzliche
Katastrophen wie die irische Hungersnot zur Folge.

Kriege lassen die Schulden anwachsen

Die Bank fuhr fort, die Streitereien der protestantischen Dynastie zu
unterstützen, und versorgte die Regierung mit den Mitteln für weitere
Kriege. ...

11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT 215

 
Staatsschulden verdeutlicht den Zusammenhang mit der Kriegsführung:

Englands Staatsschulden (in Millionen £)

 Kriegsperiode Kriegskosten

    aufgelaufene
Staatsschulden
  1688-1697
32,6
Millionen
14,5
Millionen
  1702-1713 
50,7

21,5

  1739-1748
43,7

29,2

  1756-1763
 82,6

59,6

  1776-1785
97,6

117,3

  1793-1815
831,5

504,9

 
 
Paterson attackiert die Staatsschulden

William Paterson erkannte, wie ungerechtfertigt diese Staatsschulden
waren. ...

1819, ein Jahrhundert später, stellte auch Ricardo einen Plan zur
Tilgung der Staatsschulden vor. ...22


216 Der Mißbrauch der Lehre vom Geld


Ricardo erkennt das Interesse der Bank an der Kriegsführung ... »Der Krieg, unter dem
die meisten Klassen der Gesellschaft schwer zu leiden haben, wirft für
die Bank unerwartete Profite ab, und in dem Maß, wie sich die Belastungen
und Schwierigkeiten des Staats erhöhen, steigen die Gewinne
dieser Institution.«23 ...

Die Machenschaften der Bank

Vor 1833 hatten Außenstehende keinerlei Einblick in die Bücher der
Bank of England. ...

Die Schlüsselrolle in der Bank hatten jedoch nicht die Eigentümer
inne, sondern der kleine Kreis, der die Fäden in der Hand hielt; ... Entgegen den Bestimmungen weigerte
sich die Bank, über die Höhe der Gewinne zu informieren.25

11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT 217

 
Der South Sea Bubble

Die Bank of England schuf ein finanzielles und kulturelles Klima, das
Betrug und Spekulation wie Pilze aus dem Boden schießen ließ.

Die erste einer ganzen Reihe von Betrugswellen überschwemmte
England von 1718 bis 1720, ... Im Zentrum des Geschehens stand
die 1711 gegründete South Sea Company, die Sklaven in einige spanische
Kolonien transportierte. ...

 In A South Sea Ballad schrieb Jonathan Swift:

A rate of men who t'other day
lay crushed beneath disasters
are now by stock brought into play
and made our lords and masters.*


----------------------------------------------------------------------
* Ein Schlag von Menschen, der eben noch / vom Verderben niedergeschmettert war, /
wurde von Aktien nach oben getragen/und machte sich zu unserem Herrn und Meister.


218 Der South Sea Bubble


...
Tatsächlich hatte das Spekulationsfieber die Nation gepackt. ...
Der Zusammenbruch der South Sea Company
verursachte schließlich einen antijüdischen Aufstand in Amsterdam.

Als die Mehrheit der ehrlichen Mitglieder des Parlaments die Betrüger
schließlich vor Gericht brachte, versuchte die Krone, das Strafmaß
zu drücken, ...Die milde Bestrafung der
Betrüger setzte den Standard für die Nichtahndung von Finanzdelikten
in der englischsprachigen Welt (vor allem in den Vereinigten Staaten),
mit Auswirkungen bis auf den heutigen Tag. ...

11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT 219


Die irische Hungersnot

Die irische Hungersnot war Resultat der Besteuerung, die notwendig
geworden war, um der Bank of England ihre Geschäfte zu ermöglichen.
Von einer Gesamtbevölkerung von acht Millionen fielen
1 029 000 irische Männer, Frauen und Kinder dem Hungertod zum
Opfer, und dies in einer Zeit, in der die von Landbesitzern exportierten
Agrarprodukte mehr als ausgereicht hätten, um sie alle zu ernähren.
...

Die Trennung von Geld und Staat

Die von Nation und Staat abgetrennte Macht über die Kontrolle des
Geldsystems, die allgemein in den englischsprachigen Ländern zu beobachten
war, hatte negative Auswirkungen auf die ganze Welt. ...

220 Der South Sea Bubble


Die Vertreter des Volkes waren mit der Komplexität der monetären
Macht manchmal überfordert; häufig wurden sie auch zum Ziel von
Bestechungsversuchen. ...

Die vom Finanzsektor ausgeübte Kontrolle über die Massenkommunikation,
zuerst auf Kanzeln und über Zeitungen, später auch
über Rundfunk, Filmindustrie und Fernsehen – zu schweigen von
den Universitäten –, hatte und hat zur Folge, daß die mit dem monetären
Sektor verknüpfte Problematik an den Rand des Bewußtseins
geschoben wurde oder gar nicht erst ins Blickfeld geriet.

Während der letzten drei Jahrhunderte konnten die Führungscliquen
solcher wirtschaftlicher Organisationen nur unter Aufwendung
enormer Energie und gigantischer Geldsummen verhindern,
daß sie durchschaut und mit Dieben und Betrügern gleichgesetzt
wurden. Dies führt uns zu der Frage nach dem Propagandaapparat,
der in diesem plutokratischen System den Eindruck einer weißen
Weste erhalten soll.





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