Auf der Seite wurden reichlich besonders aufschlussreiche Zitate
aus dem Buch über "Das verlorene Wissen über das Geld" von
Stephen Zarlenga - "Der Mythos vom Geld - die Geschichte der Macht"
engl. "The Lost Science of Money: The Mythology of Money, The Story
of Power"
gesammelt, um den Leser einen Blick auf die Gedankenwelt der
Geldforscher zu gewähren und sie zur Lektüre des Buches anzuregen,
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Kaum ein anderes Buch über das Geld ist so geldwert wie
dieses.
Die Struktur des Buches, die Kapitel und Seitennumerierung wurden
beibehalten. Das erleichtert dem Leser die volle Aussage des Autor
in dem Buch wiederfinden. Ein Zitat kann nur dann richtig versanden
werden, wenn der Kontext, die Einführung auch bekannt ist.
Zitaten
aus den Kapitel 9 - 11
9 DER AUFSTIEG
DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM
163
9. Kapitel Der Aufstieg
des Kapitalismus in Amsterdam
Das bedeutendste Charakteristikum der
Bank von Amsterdam
muß in der Tatsache gesehen werden, daß es sich um eine
städtische, nicht etwa um eine private oder privat geführte
Einrichtung handelte.
Jonathan Israel
Das Amsterdam des 17. Jahrhunderts nimmt in der
Weltgeschichte einen bemerkenswerten Platz ein. Die Stadt entriß
Portugal die Kontrolle über den Handel mit Indien, entwickelte
Europas mächtigste Finanzmärkte und schuf die Grundlagen
für den
modernen Kapitalismus.
...
Amsterdam erschien 1585 mit dem Niedergang Antwerpens auf
der Bühne des Geschehens. ...Auf einmal – so schien
es – war die Stadt da.
1 Zaandam
wurde Europas wichtigstes Schiffsbauzentrum. In jener Zeit gab
es
zwischen 1,5 und 2 Millionen Niederländer, 6 Millionen Engländer
und 20 Millionen Franzosen....
164
Das Amsterdam des 17.Jahrhunderts
Die intellektuelle Freiheit der Holländer
Auf intellektueller Ebene war Holland eine Gemeinschaft, wie sie zu
dieser Zeit freidenkender nicht sein konnte.
Der holländische
Theologe
Jakob Arminius formulierte die Doktrin von der menschlichen
Willensfreiheit und stellte sich damit in Opposition zu Calvins
Haltung.
Der Standpunkt der Arminier wurde in ganz Europa über Jahrhunderte
zum Symbol freien Denkens.
...
Amsterdam war auch Heimat für den großen Juristen Hugo
Grotius
(1583-1645), der die Doktrin von der Freiheit der Meere aufstellte;
in der Mitte des 17. Jahrhunderts lebten hier auch die Philosophen
Descartes und Spinoza.
Die Bank von Amsterdam
Vorgeschichte
Einige der aus Antwerpen kommenden Juden richteten eine Wisselbank,
eine Art Wechselbank, ein. Sie wechselten Geld, diskontierten
Wechsel, nahmen Einlagen an und vergaben Kredite. ...
9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS
IN AMSTERDAM
165
Die Stadtväter schritten ein und gründeten im Januar
1609 die
Bank von Amsterdam.
Den Juden und allen anderen Interessierten
wurden Bankgeschäfte verboten. Das wichtigste Motiv für
die Gründung
der Bank von Amsterdam war, skrupellose Geldwechsler daran
zu hindern, die ganze Region zu kontrollieren. Es sollte die
Möglichkeit
geschaffen werden, Geld schnell, effizient und verläßlich
zu tauschen.
Das bedeutendste Charakteristikum der Bank von Amsterdam
... es sich um eine städtische,
nicht etwa um eine private oder privat geführte Einrichtung handelte.
3
...
Zinsen wurden nicht bezahlt; die Konten wurden
nicht überzogen;
Kredite wurden nicht gewährt. ...
Auf die
Bank von Amsterdam
gezogene Wechsel wurden jedoch
mit der Zeit weltweit akzeptiert, und das Ziehen von Wechseln auf sie
war überall möglich.
Die Einlagen bei der Bank konnten nicht gepfändet werden.
Die
Stadt selbst war für die Einlagen verantwortlich. Die Leitung
der
Bank lag in den Händen eines aus drei Mitgliedern bestehenden
Ausschusses,
der vom Stadtrat gewählt wurde. Der größte Tresorraum
der Bank lag unter dem Rathaus. Die gewöhnliche Kontoführung,
d. h. die Gutschrift von Beträgen bzw. die Belastung der
Konten, war
kostenlos (bis 1683). Gewinne machte die Bank beim Geldumtausch
166
Die Bank von Amsterdam
und beim Kauf von Gold und Silber, wo sie Gebühren bis zu
2,5%
verlangte. ...
Das Agio
1611 zählte sie 708 Kontoinhaber mit einer Gesamteinlage von
925 000 Florin; 1701 waren es schon 2698 Kontoinhaber mit insgesamt
16 280 000 Florin.
Die Bank trennte die Vergabe von Krediten generell streng von
den
anderen Bankgeschäften, und dies mit sehr guten Resultaten.
Nur
drei Bankkunden durften ihre Konten überziehen: die Stadt
Amsterdam,
die holländische Ostindiengesellschaft sowie im Jahr 1614
die
Bank Von Leening zum Zweck der Finanzierung einer städtischen
Kreditbank....
9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS
IN AMSTERDAM
167
Diese Kontoüberziehungen begannen schon 1615, verursachten
... keinerlei Probleme – bis zum
vierten
anglo-holländischen Krieg im Jahr 1780: Hollands Flotte
hatte
schwere Niederlagen einstecken müssen, und Kriegsverluste
bedrohten
die Existenz der Ostindiengesellschaft. ...
Auf einmal wollten die Kunden Münzgeld anstatt Buchgeld....
Nicolas Bond, ein holländischer Anwalt, argumentierte, dieses
Recht sei durch Nichtinanspruchnahme nicht verwirkt worden,
und
verklagte die Bank auf Wiederaufnahme der Rückzahlung in Münzgeld.
Er gewann, und
im Januar 1794 begann die Bank auf Verlangen
168
Die Bank von Amsterdam
Rückzahlungen auch in Münzgeld vorzunehmen. Da jedoch
innerhalb
eines kurzen Zeitraums 2 Millionen Florin abgehoben wurden,
mußte die Rückzahlung nach wenigen Wochen eingestellt
werden.
... etwas später im Jahr
löste Napoleons Invasion
in Amsterdam
eine Revolution aus, während deren Repräsentanten des
Volks die bisherigen Herren der Stadt ersetzten.
...
1804 verfügte die Bank über Einlagen in Höhe von 7,1 Millionen
in Gold.
Diese Summe wurde jedoch mit der Gründung der Bank der
Niederlande
durch König Wilhelm I. von Holland im Jahr 1814 immer
geringer, da die Kunden dieser der Bank of England
nachempfundenen
Notenbank Zinsen für ihre Einlagen erhielten. Die Bank
von Amsterdam, die bei ihrer Liquidation nur noch über Einlagen
mit
einem Gesamtvolumen von 214 000 Florin (durch Gold im selben
Wert gedeckt) verfügte, wurde auf Geheiß des Königs
aufgelöst.
...
9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS
IN AMSTERDAM
169
Der Erfolg der Bank läßt sich darauf zurückführen,
daß es sich
nicht um eine privat geführte Einrichtung handelte, bei
der nur die
Interessen einiger weniger im Vordergrund standen, sondern um
eine
öffentliche, von der Stadt geführte Institution zum
Nutzen des Landes
und seiner Kaufleute. ...
Die dunkle Seite der Bank
Schon in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts führte
die
Bank von Amsterdam
den verbotenen Handel mit Edelmetallen weiter.
4
... Münzstätte beklagen denn auch die Bosheit einiger
Menschen,
»die die besten unserer Münzen einschmelzen, um dann das
Königreich
mit anderen Münzen minderer Güte zu überschwemmen und
sich so am Blut und Elend des Volks bereichern.«
5
170
Die Bank von Amsterdam
Die Juden Amsterdams
Die Juden Amsterdams spielten bei der Entwicklung der gegenwärtigen
Form des Kapitalismus und dessen weiterer Verbreitung nach
England eine Schlüsselrolle.
1492 wurden alle nicht konvertierten Juden von Ferdinand und
Isabella aus Spanien ausgewiesen. Viele von ihnen zogen zunächst
nach Portugal und dann weiter nach Antwerpen, als die Portugiesen
dort ihr Handelsdepot einrichteten. ...
1609 lebten 200 portugiesische Juden in Amsterdam, etwas später
waren es schon 1000 bei einer Gesamtbevölkerung von 115
000. Aufgrund
ihrer Verbindungen zu im Ausland lebenden reichen Marranen
war ihre finanzielle Macht groß. 1615 stellte Grotius für
die jüdische
Bevölkerung 49 Regeln auf. ...
Der Handel mit der Levante
Aufgrund ihrer Verbindungen zur Levante spezialisierten sich die Juden
Amsterdams zunächst auf den Handel mit dieser Region. ...
9 DER AUFSTIEG
DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM
171
Allerdings dominierte die jüdische Gemeinschaft die niederländischen
Kolonie in Brasilien. 1642, als die Kolonie auf ihrem
Höhepunkt war, kontrollierten die reichen jüdischen
Einwohner den
Zuckerhandel. Die besten Positionen vergaben sie an neu
angekommene Mitglieder ihrer Glaubensgemeinschaft. 8 Sie
engagierten sich auch stark im Sklavenhandel mit Holland.
...
1631 gab es in der Bank von Amsterdam
1348 Konten, deren Inhaber
1,1% der Bevölkerung ausmachten. 89 der Kontoinhaber waren
Juden, das entspricht 9% der jüdischen Bevölkerung
und
unterstreicht das Ausmaß ihrer ökonomischen Aktivitäten.
Amsterdams jüdische Bevölkerung:
|
1609
|
1630 |
1655 |
1674 |
1743 |
1780 |
Sephardisch: |
200 |
1 000 |
1 800 |
2 500 |
3 000 |
3 000 |
Aschkenasisch: |
0
|
0
|
0
|
5 000
|
10 000
|
19 000
|
Einwoher insgesamt
|
115 000 |
|
|
|
241 000 |
217 000 |
172
Die Juden Amsterdams
...
Erst 1796 wurden den Juden in Holland die vollen
Bürgerrechte eingeräumt.
Piratenbeute wird umverpackt
Ein Teil der Juden Amsterdams wurde durch den Wiederverkauf der
Ladungen gekaperter Schiffe bekannt.... Sehr häufig verkaufen
sie die Ware an dieselben
Händler, von denen sie geraubt wurde.«
10
Die jüdischen Verleger Hollands
Das Verlegen von Büchern gehörte zu den wichtigsten
Aktivitäten der
Juden Amsterdams und war von entscheidender politischer Bedeutung
sowohl für England als auch für die Entwicklung des
Protestantismus
und des Kapitalismus. Schon 1617 wurde von einer jüdischen
Schule eine Druckerpresse angeschafft; um das Jahr 1743 gab es
in
Amsterdam deren vierzig. Gedruckt wurde in allen Sprachen, einschließlich
Griechisch, Hebräisch, Syrisch, Arabisch und Chinesisch.
Der größte Teil der Produktion war religiöser
Natur und meistens für
den Export bestimmt. Die erste englischsprachige Zeitung in Amsterdam,
der Courant, berichtete
erstmals im Jahr 1620 über Italien,
Deutschland usw.
Die große Bibelflut nach England
Der Jude Joseph Athias behauptete, mit seiner Druckerpresse so
viele
englische Bibeln gedruckt zu haben, daß jedes Dienstmädchen
und
jeder Pflüger anstreben konnte, eine davon zu besitzen.
11 Dabei
war
er nicht einmal der einzige jüdische Bibeldrucker Amsterdams.
Her-
9 DER AUFSTIEG
DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM
173
bert Bloom schätzt die Zahl der nach England und Schottland
exportierten
Bibeln auf eine Million. Der Export einer solchen Menge
Bibeln nach England hatte weitreichende politische Auswirkungen
(siehe oben
Seite
144).
Der bemerkenswerteste dieser jüdischen Drucker war Rabbi
Manasse ben Israel. Er stellte vor allem Bibeln her, auch das
erste in
hebräischer Sprache gedruckte Buch wird ihm zugeschrieben.
Rabbi
Manasse stürzte sich in große geopolitische Unternehmungen,
vor
allem in bezug auf seine Beziehungen zu Oliver Cromwell.
Zudem
spielte er eine bedeutende Rolle bei den Bemühungen um die Wiederzulassung
der
Juden in England. 1290 waren die Juden wegen
ihrer Angriffe auf das britische Geldsystem von dort vertrieben
worden.
... Wurde das Verlagswesen von den Juden dominiert, so war die
Börse von Amsterdam der Ort, der auf sie die größte
Anziehungskraft
ausübte ...
Schließlich
kontrollierten Amsterdams Juden nicht weniger als 25% der Aktien
der (holländischen) Ostindiengesellschaft.
12
Die Börse von Amsterdam
Die Börse von Amsterdam (Abb. 23) entstand 1611 nach dem
Vorbild
der Börse Antwerpens. ...
In den 80er und 90er
Jahren unseres Jahrhunderts
richtet sich der Blick häufig auf die als »Neuerungen«
betrachteten
»Derivate«, auf Aktienindizes, Termingeschäfte
und Optionskontrakte.
An der Börse in Amsterdam waren allerdings fast alle
diese »Neuerungen« schon im 17. und 18. Jahrhunderts
in Gebrauch.
Wir finden dort dieselbe Art von Geschäften, dieselben allgemeinen
Bestimmungen zur Börsenordnung, genau dieselben Methoden,
die
174
Die Börse von Amsterdam
Öffentlichkeit zu betrügen, und genau dieselben Methoden
der
Marktmanipulation.
Eine ganze Reihe von Transaktionen konnte an der Amsterdamer
Börse abgewickelt werden:
1. Aktien gegen sofortige Barzahlung,
2. Kauf von Wertpapieren auf Marge (bis zu 80%),
3. Monatliche Fälligkeitstage – Abschluß auf den 20. des
Monats,
Zahlung fällig am 25.,
4. Handel per Termin – Erfüllungstermin in der Zukunft,
5. Put- und Call-Optionen mit sofort bei der
Bank von Amsterdam zu
zahlenden Prämien.
Geschäfte wurden mit Handschlag besiegelt. Der Börsenhandel
konnte
extrem schleppend, aber auch sehr lebhaft verlaufen. In Zeiten heftigen
Börsenfiebers wurde bis vier Uhr morgens in einem Kaffeehaus in
der Nähe der Börse weiter gekauft, verkauft und spekuliert.
13
Die bedeutendsten Aktien waren die der holländischen Ostindiengesellschaft.
Sie wurde zu 6,4 Millionen Florin kapitalisiert, eine
Summe, die über 64 Tonnen Gold entsprach. Während der
ersten
sechs Jahre ihres Bestehens wurde eine Dividende von jährlich
25-30% ausgeschüttet. 1612 waren es 57%, 1613 weitere 42%.
...
Die Gesellschaft war 1602 gegründet worden, und schon 1607
wurden
ihre Aktien mit 100% über dem Nennwert gehandelt. 1609 lagen
sie jedoch nur noch 30% über pari, was einer Baisse von
zwei Dritteln
entsprach. Hierfür verantwortlich gemacht wurden Leerverkaufspraktiken,
die im Jahr 1610 per Gesetz verboten wurden. ...standen
die Aktien
1688 580% über
pari ...
9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM
175
Leerverkäufe werden für
nichtig erklärt
Leerverkäufe stellten jedoch weiterhin ein Problem dar.
Im
Jahr 1687
schrieb der Anwalt Nicholas Muys Van Holz ein Buch, in dem er
diese
Praxis scharf verurteilte. Seiner Ansicht nach hatten die jüdischen
Börsenmakler einen wesentlichen Anteil daran. ...
Der Börsenjargon
Der an der Börse von Amsterdam gebräuchliche Jargon unterscheidet
sich im wesentlichen kaum von dem heutigen. Auch in Amsterdam
gab es
bulls (Liefhebberen), bears
(Contremines – gegen die
»Mine« Indiens) und
butterflies,
die zwischen den bulls und bears
flatterten. ...
14
Der Betrug der Öffentlichkeit
Wie heute war Betrug auch damals in Amsterdam ein nicht wegzudenkender
Bestandteil der Börsenaktivitäten. ...
176
Die Börse von Amsterdam
a) Mißbrauch von Kundenaufträgen durch Börsenmakler
An der Börse gab es zwei Arten von Börsenmaklern. Zum einen
gab
es offiziell ernannte oder »vereidigte« Makler (375
Christen und 20
Juden), zum anderen mehr als 700 »freie« Makler,
die nicht vereidigt
waren (größtenteils Juden). ...
Das dual trading
war eine wichtige Praxis an den amerikanischen
Warenbörsenskandalen in den späten 80er Jahren unseres
Jahrhunderts.
Im Grunde genommen handelt es sich bei dual trading um eine
Lizenz zum Diebstahl. Einige Staatsanwälte propagierten
zwar dessen
Verbot, die Öffentlichkeit durchschaute jedoch nicht,
worum es
eigentlich ging, und so konnten die politisch mächtigen Warenbörsen
mit ihrer großen Finanzkraft eine entsprechende Gesetzgebung
verhindern.
*
-------------------------------------------------------------
* Autor spricht hier aus eigener Erfahrung, da
er über mehrere Jahre als »floor trader
« an der NYFE CRB, einer Tochtergesellschaft der New Yorker Börse,
gearbeitet hat.
9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM
177
178 Die Börse von Amsterdam
b) Betrug durch Preismanipulationen hinter den Kulissen
1688 schrieb der Börsenmakler Joseph De La Vega in Amsterdam
ein Buch mit dem Titel
Confusione
de confusiones,
15 in dem
er eine
lebhafte Beschreibung der Börsenaktivitäten liefert. Bis
ins kleinste
Detail zeigt er darin auf, welche Strategie die Börsenmanipulatoren
jener Zeit verfolgten, um die Preise in den Keller zu drücken
– eine
Strategie, die im heutigen Jargon
bear campaign genannt wird ...
9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM
179
c) Betrug durch Ausnutzung struktureller Fehler im Marktmechanismus
Der Handel mit dem Ducatoon führte zu strukturellen Fehlern im
Markt. Die Ducatoons waren keine richtigen Aktien, sondern imaginäre
Einheiten, die von einem Kassier in Form von Buchungseinträgen
verwaltet wurden. ...
180
Die Börse von Amsterdam
Englands ineffektive Marine
Zwischen 1609 und 1667 konzentrierten sich die Holländer stärker
auf internationale Geschäfte. Sie errichteten dabei ein Handelsimperium,
das vom Niedergang der Portugiesen profitierte. Dies brachte
9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM
181
sie in Konflikt mit den Engländern...
Die französische Invasion im
Jahre 1672
Im Jahre 1672 fielen die Franzosen in Holland ein ...
18
Die jüdische Gemeinschaft bot den Franzosen 2 Millionen
Gulden, wenn sie die jüdischen Stadtgebiete verschonen würden.
19
Die Holländer hatten jedoch noch einen strategischen Vorteil
– die Möglichkeit, Teile des Landes zu überfluten....
Die Vernachlässigung des
Handels durch die Holländer
Die Entwicklung einer seltsame Blüten treibenden spekulativen
Psychologie
blieb für Amsterdam nicht ohne Konsequenzen.
Während
die Christen Aktivgeschäfte betrieben (also Geld ausliehen),
konzentrierten
die Juden ihre Aktivitäten auf die Börse, ja sie begannen,
die
Zunft der Börsianer zu dominieren. Die portugiesischen Juden
hatten
sich vom Handel vollständig abgewandt, um sich dem Spekulie
-
ren auf dem Aktienmarkt zu widmen.
20
Die Konzentration auf Finanzgeschäfte führte schließlich
zum
Niedergang der meisten holländischen Kaufleute....
182
Die Vernachlässigung des
Handels durch die Holländer
Zudem nahmen nicht nur Angehörige der wohlhabenden Klassen
an den Börsenaktivitäten teil; zum ersten Mal in der
Geschichte beteiligten
sich auch gewöhnliche Bürger an in großem Stil
abgewickelten
internationalen Finanzgeschäften.
Der Kosmopolitismus schadet Holland
Die Spezialisierung auf das internationale Finanzwesen führte
zu
einer kosmopolitischen Haltung, aufgrund deren die reichsten
Holländer
eine Mißachtung für die eigene Gesellschaft und die
eigenen
Landsleute entwickelten. Die wachsende Bedeutung des Finanzsektors
der holländischen Wirtschaft scheint eine vermehrte Konzentration
des Reichtums in den Händen einer kleinen Gruppe reicher
Rentiers mit sich gebracht zu haben. Zudem führte die starke
Verwicklung
der reicheren Klassen in ausländische Investitionen zu einer
gewissen Entfremdung von den nationalen Interessen, ...
Nach 1715 spielte die Republik
in den europäischen Angelegenheiten keine nennenswerte Rolle
mehr.
...
Das Steuersystem bürdete die Last denen auf, die am wenigsten
fähig waren, sie zu tragen; die Ressourcen der reicheren
Bevölkerungsteile
wurden so gut wie gar nicht angezapft.
23
...
9 DER AUFSTIEG DES KAPITALISMUS IN AMSTERDAM
183
Holland finanziert England
Die Briten nahmen spätestens ab 1642 enorme Kredite bei den
Holländern auf. ...
Ab 1750 war holländisches Kapital überall zu finden. Etwa
ein
Drittel der britischen Staatsschulden wurde bei den Holländern
gemacht, ...
Das Anteilsystem wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts von portugiesischen
Juden aus Amsterdam am London
Exchange eingeführt.
26
Aus der Einwanderung einer kleinen, aber bedeutenden Gruppe
holländischer Händler und Finanziers nach London –
Christen und
Juden zusammen mit Hugenotten, die über Holland kamen –
erwuchs
der kosmopolitischen Finanzkompetenz der Juden Konkurrenz.
Das System zur Finanzierung der Regierung war dem holländischen
Modell nachempfunden, und nicht wenige holländische
Hände waren bei dessen Schaffung beteiligt. Nun treffen
wir auf die
Namen einiger der berühmten portugiesisch-jüdischen
Familien, die
ein Jahrhundert zuvor in Holland Zuflucht gesucht hatten – die
Medinas,
die Suassos und die Pintos –, und auch auf holländisch-christliche
Namen – die Van Neckers, Van Nottens, Van Hemerts. 27 ...
184
Holland finanziert England
Die Holländer verlegen sich auf
die Unterstützung der Vereinigten Staaten
Im Jahr 1780 waren die Holländer die Gläubiger von 3/7 der
englischen
Staatsschulden. ...
29
Nach der amerikanischen Revolution erlosch das Vertrauen der
Holländer in die Engländer, und sie wendeten sich den
Amerikanern
zu. Zwischen 1782 und 1790 gewährte Holland Amerika Kredite
in
Höhe von 29 Millionen Gulden. ...
10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND
185
10. Kapitel Der Transfer
des Kapitalismus
nach England
»Was haben wir denn durch unsere
Befreiung von der
Tyrannei des Papstes gewonnen, wenn diese kleinen Leute dafür
einrücken, ...?«
Thomas Hobbes
Das niederländische Haus Oranien – mit den Calvinisten
als Verbündeten – unterminierte Hollands republikanische
Verfassung
von der Mitte des 17. Jahrhunderts an. ...
Der Bruch mit Rom
Bis zum Bruch Heinrichs VIII. (1491-1547) mit der römisch-katholischen
Kirche war England eine katholische ...
Für den Bruch gab es jedoch auch ein finanzielles Motiv:
Als
Heinrich
VIII. mit Rom brach, geschah dies unter dem Einfluß von
Thomas
Cromwell. 1 Auf seinen Vorschlag
hin begann Heinrich, den
Landbesitz der Klöster aufzulösen. Als zwischen 1536
und 1553 der
186
Der Bruch mit Rom
riesige Landbesitz der Klöster enteignet wurde – zuerst
die kleineren,
dann die größeren Ländereien –, entstand eine
neue Klasse von Millionären.
1545 legalisierte Heinrich den Zinswucher bis zu einem Gewinn
von 10% jährlich.
Englands monetärer Hintergrund
England hatte gegenüber dem kontinentalen Europa zwei Vorteile:
...
Mit dem Niedergang Westroms brach das Geldsystem in England
vollständig zusammen, und es fand eine Rückwärtsentwicklung
zum
Tauschhandel statt. Von 430 bis 630, also über einen Zeitraum
von
200 Jahren, war in England kein Münzgeld im Umlauf.
2
...
wie groß der Überfluß an Silber
in jener Zeit war, wird auch an den enormen
Tributzahlungen an
die Dänen deutlich. So belief sich das »Danegeld«
im Jahr 991 auf
10 000 und 1018 sogar auf 82 000 Pfund Sterling.
4
Die angelsächsischen Könige hatten nicht weniger Kontrolle
über
das Geldwesen ihres Reichs als der Kaiser von Byzanz über das
seine.
...
10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS
NACH ENGLAND
187
Eine Besteuerung über das Geldsystem
Zur Zeit der angelsächsischen Könige wurde das Münzgeld
etwa alle
sechs Jahre neu geprägt. Sämtliche Münzen wurden
eingezogen, und
für vier dieser Pfennige wurden drei neue ausgegeben. Dies
entsprach
einer Steuer von 25% bzw. von 4% jährlich....
ds*)
Englands Goldmünzen
Die erste englische Goldmünze wurde 1257 unter Heinrich
III. ge -
prägt. Sie hatte ein Gewicht von 43 Gran und wurde bei einem
Silber-
Gold-Wertverhältnis von 10 : 1 mit 20 Silberpfennig bewertet.
Diese
Münze konnte sich nicht allgemein durchsetzen, wurde daher zurückgezogen
und
1343 durch den Noble ersetzt, der bei einem Silber-
Gold-Wertverhältnis von 11 : 1 134 Gran wog. Nobles hatten
exakt
das doppelte Gewicht eines Besant und waren die ersten englischen
Münzen, die mit der Aufschrift »durch die Gnade Gottes«,
nicht
-----------------------------------------------------------------------
ds*) vgl. Brakteaten.
188
Englands monetärer Hintergrund
»durch die Gnade Cäsars« geprägt wurden.
...
Die Münzhoheit der Krone
Das wohl bedeutendste Charakteristikum des englischen Geldsystems,
...
sich die monetäre Macht
in den Händen des Königs konzentrierte, anstatt auf
mehrere Edelleute
verteilt zu sein. Aus diesem Grund litt das Land weniger unter
monetärem Chaos als die Nationen, die sich auf dem europäischen
Kontinent entwickelten.
Unter Heinrich II. (1154-1189) wurde die Besteuerung verstaatlicht;
...
Unter Eduard III. erlangte das Unterhaus drei Privilegien. Zum
ersten
war jegliche Besteuerung von der Zustimmung des Parlaments
abhängig. Zum zweiten waren sowohl das Oberhaus als auch
das Unterhaus
an der Gesetzgebung beteiligt; und zum dritten wurde dem
Parlament das Recht zuerkannt, bei Übergriffen der Verwaltung
zu
ermitteln und Abhilfe zu schaffen.
...
Entgegen den heute gängigen Vorurteilen wurde von dem lange
bestehenden Münzregal des Königs durchaus auf verantwortliche
Art und Weise zum Nutzen der Nation Gebrauch gemacht.....
9
10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS
NACH ENGLAND
189
Der Kampf um die Kontrolle des englischen
Geldsystems
Der Mixt Moneys Case— die Wiederentdeckung
der Lehre vom Geld
Das Gerichtsurteil im
Mixt Moneys
of Ireland Case,
...
gab Elisabeth I. im Mai 1600 aus unedlem Metall hergestelltes
Münzgeld als offizielles Zahlungsmittel in Irland aus. Alle
anderen
Münzen wurden für ungültig erklärt und mußten
an die Münzstätten
zurückgegeben werden. ...
»Bei Geld handelt es sich um einen staatlichen Wertmaßstab
..., und
jeder Staat entwickelt sein eigenes Geldwesen.
Der Herrscher – oder von ihm autorisierte Personen – haben das
Recht, das Geld seines Einflußbereichs zu schaffen, und
es ist Verrat,
wenn andere das tun. ... Erklärt der Herrscher, ein Geldstück
sei ein
Pfennig, Groat oder Schilling, so ist das so.
Der Herrscher hat das Recht, die Geldmenge zu erhöhen oder
zu
verringern, ... den gesetzlichen Wert des Geldes zu erhöhen
oder zu
verringern, ...« 10
...
190
Der Kampf um die Kontrolle des englischen
Geldsystems
Das erste Ziel war es, der britischen Krone die Kontrolle des
Geldwesens
zu entreißen und die Zügel statt dessen den Kaufleuten
und
Finanziers in die Hand zu geben. Dies geschah durch Unterminierung
der Krone und durch die Verabschiedung des Free Coinage Act
im Jahr 1666. ...
Die religiöse Unterminierung
der Monarchie
Thomas Hobbes, ...
B »Wie aber wurde denn das Volk so verderbt? Und was für
Leute
konnten es so verführen?«
...
10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS
NACH ENGLAND
191
192
Englands monetärer Hintergrund
Die Wiederzulassung der Juden in England
Münzverschlechterung durch das Beschneiden der Münzen am
Rand, das sogenannte
clipping,
stellte in England ein beträchtliches
Problem dar.
Im Jahr 1205 erklärte König Johann I.
alle Münzen für
ungültig, von deren Rand mehr als ein Achtel abgezwackt
worden
war. Er sagte allen Abzwackern den Kampf an, hauptsächlich
den Juden,
die er vor allem für verantwortlich hielt.17
Wie auch anderswo in Europa standen die Juden in England unter
dem Schutz des Königs, der beträchtliche finanzielle
Forderungen an
sie stellte. Da er ihnen auch Wuchergeschäfte erlaubte,
konnten sie
diese Verluste auf Kosten des Volks wieder wettmachen. Das von
ihnen betriebene Beschneiden der Münzen wurde jedoch nicht
als
Teil des Geschäfts toleriert.
Im Jahr 1275 verbot Eduard I. den Juden jede Art von Wuchergeschäften
und erlaubte ihnen gleichzeitig, Handel zu treiben und Land
zu pachten, um darauf zu arbeiten.
18
Nur wenige Juden verlegten sich aber auf den Handel oder die
Landwirtschaft. Viele gingen nun heimlich ihrer ursprünglichen
Beschäftigung
nach.
19
Clipping - ein ernstzunehmendes Problem
Die »Clipper« gingen schrittweise vor und zwackten zunächst
Stücke
vom Münzrand ab, die zwischen 5 und 10% der Münze ausmachten.
...
10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND
193
Die Verhaftung der »Clipper«
Am 17. November 1279 wurde eine große Anzahl Juden in ganz England
verhaftet. Bei Hausdurchsuchungen fand man große Mengen an
Silber, das von Münzen abgezwackt worden war. Nach Roth wurden
680 Juden eingesperrt, 273 von ihnen gehängt – zusammen mit drei
christlichen Goldschmieden. Das Problem blieb jedoch bestehen, und
im Juli 1290 ließ Eduard alle 16 511 Juden aus England ausweisen.
Die höfliche Vertreibung
Die Vertreibung ging auf sehr geordnete Art und Weise vonstatten.
...
Menasse ben Israel
In der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Aufhebung dieser Verbannung
zum Hauptanl iegen einiger zusammen agierender jüdischer
Gemeinschaften Europas. Ihr führender Kopf in Holland war
Rabbi Menasse ben Israel (siehe oben Seite 173), der von einigen der
reichsten jüdischen Händler unterstützt wurde. In einer
1649 eingereichten
Petition an den English Council boten sie 500 000 Pfund Sterling
für die Rücknahme der Gesetze gegen die Juden, für die
Zusprechung
der Bodleian Library in Oxford sowie für die Umwandlung der
St.-Pauls-Kathedrale in eine Synagoge ....
20
194 Die Wiederzulassung der
Juden in England
Nach einer unterwürfigen Widmung der Abhandlung an das Parlament
warnte er davor, daß all jene, die gegen die Juden handelten,
von Gott bestraft würden. Als Beispiele führte er das Königspaar
Ferdinand
und Isabella von Spanien, das römische Pompei und Nebukadnezar
von Assyrien an. Menasse sagte, der Messias komme, sobald
die Juden auf der ganzen Erde verteilt seien. ...
21
Oliver Cromwell als »Messias«
...
Die Engländer gingen bei ihren Überlegungen bezüglich der
Wiederzulassung
der Juden sehr vorsichtig vor. So wurden bedeutende
Juristen des Landes konsultiert, unter ihnen John Dury, der im deutschen
Kassel lebte. Er riet aufgrund seiner Erfahrungen ab. Menasse
ben Israels Forderungen seien groß, und der Nutzen, den die Juden
aus diesen Privilegien machen würden, sei ihrem Ruf nicht zuträglich.
Wenn sie nicht klug in den Schranken gehalten würden, so würden
sie in kurzer Zeit zu einem Problem.
23
... Cromwell wurde wegen der Messias-Farce scharf kritisiert. Den Juden
wurde die Wiedereinreise nicht offiziell erlaubt, sie kehrten jedoch,
von Cromwell geduldet, ab 1650 in aller Stille zurück.
10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND
195
Die Unterminierung der Monarchie über das Geldsystem
... »Wenn der Staat nicht außerordentlich viel
Mühe darauf verwendet, das Beschneiden und Aussuchen des Münzgelds
zu verhindern, wird Euer gesamtes Silbergeld von Goldschmieden
und anderen mißbraucht. Und wenn der Staat nicht für die
Anstellung
von Leuten sorgt, die solche Übeltäter entdecken können,
sondern Personen an der Münzstätte arbeiten läßt,
die über keine Erfahrung
verfügen, muß hieraus großer Schaden erwachsen.«
24
Der Blondeau-Vorfall
...der Franzose Pierre ... Blondeau hatte eine Maschine erfunden, die
das Abzwacken
vom Münzrand verunmöglichte, da die mit dieser Maschine hergestellten
Münzen mit gerändelten Kanten versehen wurden. In Frankreich
kam diese neue Methode schnell zum Einsatz. Blondeau kam
1649 nach London, ...
196 Die Unterminierung der Monarchie
über das Geldsystem
... Cromwell jedoch
gegen die Ausgabe der Münzen, und Blondeau kehrte danach,
offenbart angewidert von der Affäre, nach Frankreich zurück.
25
Die fiskalische Strangulierung Karls II. (1630-1685)
England schüttelte schließlich die Diktatur Cromwells ab,
seine Leiche
wurde aus der Westminster Abbey geholt und an den Galgen des
Tyburn-Gefängnisses gehängt. Zwar wurde Karl II. 1660 gebeten,
nach England zurückzukehren; das Parlament beabsichtigte jedoch,
ihn finanziell an kurzer Leine zu halten.
... Unmittelbar
nach seiner Rückkehr nach England bat Karl II. Blondeau zu sich
und
machte ihn zum Ingenieur der Münzstätte. Neue, mit gerändelten
Kanten versehene Münzen wurden ab 1663 hergestellt.
Karl II. benötigte ein stehendes Heer, ... Karl II.
blieb nichts anderes übrig, als sich die benötigte Summe
zu einem Zinssatz
von 8% bei den Goldschmieden zu leihen. Bürgschaft waren die
Steuern, die vom Parlament noch bewilligt werden sollten. Als diese
Bewilligung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurde, verlangten
sie Zinssätze, die sich zwischen 20 und 30% jährlich bewegten.
...
10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND
197
Die Goldschmiede erhalten Rückendeckung von den Holländern
Die Goldschmiede beschnitten die englischen Münzen und exportierten
die abgezwackten Stücke. Schwerere Münzen gingen nach
Holland ....
28
Das Papiergeld-Experiment Karl s I I .
Im Jahr 1667 begann Karl II. schließlich, Papiergeld auszugeben,
um
für die Staatsausgaben aufzukommen. Bei diesem Papiergeld handelte
es sich um königliche Zahlungsanweisungen, die von den Inhabern
– wer immer diese auch waren – nach Ablauf eines Jahres in
Münzgeld umgetauscht werden konnten. Mit diesem Experiment
wurde im Westen zum ersten Mal Papiergeld geschöpft ...
198 Das Papiergeld-Experiment
Karls II.
Aber die Goldschmied-Bankiers brachten dieses monetäre Experiment
zum Scheitern. ...
Die Goldschmiede sprachen sich jedoch untereinander ab und
verlangten für den Umtausch saftige Gebühren. Auf diese Weise
brachten sie Karls Zahlungsanweisungen in Mißkredit. So mußte
Karl, der im Jahr 1672, also mitten im Krieg mit Holland, enorme
Ausgaben zu bestreiten hatte, deren Finanzierung durch Steuermittel
das Parlament verweigerte, feststellen, daß seine Gläubiger
keine Bezahlung
in seinem Papiergeld mehr akzeptieren wollten. ...
29
Sie stellten also die Zahlungen an ihre Deponenten sofort ein und
horteten ihre beträchtlichen Münzreserven. ...
Der Free Coinage Act von 1666
Der
Free Coinage Act sah vor, daß jederman Gold- und Silberbarren
zur Münzstätte bringen und daraus kostenlos Münzen prägen
lassen
konnte. ...
10 DER TRANSFER DES KAPITALISMUS NACH ENGLAND
199
... Der
Free Coinage Act machte vor allem das königliche
Münzregal zunichte, annullierte den
Mixt Moneys Case und
leitete
auf dem Handelssektor eine ganze Serie Paniken und Katastrophen
ein, wie sie bis zu dieser Zeit nicht bekannt waren.
...
200 Der Free Coinage Act von
1666
Die britische Ostindiengesellschaft
Die britische Ostindiengesellschaft war mit einem Anfangskapital
von £ 740 000 im 17. und 18. Jahrhundert die größte
an der englischen
Börse gehandelte Gesellschaft. ...
... Es gab 550 Aktionäre,
aber der größte Teil der Aktien war im Besitz von nur 40
Personen.
...
Die Ostindiengesellschaft exportiert den Silbergeldbestand
Englands
... Die britische
Ostindiengesellschaft brachte britische Silbermünzen nach Indien,
um – unter anderem – Gold dafür zurückzubringen. John Locke
hatte im Jahr 1718 Informationen darüber, daß die Ostindiengesellschaft
Silber exportiere und in einigen Gegenden Indiens zu einem
Profit von 50% zu Gold machte. ...
32
...
10 DER TRANSFER DES KAPITALI SMUS NACH ENGLAND
201
Wilhelm III. von Oranien ergreift 1688 die Krone
... Nach Jahren der Planung landete Wilhelm schließlich
im November 1688 an Englands Küste (
Glorious Revolution).
Für diesen Angriff erhielt Wilhelm beträchtliche finanzielle
Unterstützung
von den holländischen Juden. Isaac Lopez Suasso aus Den
Haag stellte ihm zinslos zwei Millionen Goldkronen zur Verfügung,
wofür er später zum Baron d'Avernas le Gras gemacht wurde.
33
... »Der Prinz von Oranien brachte das Geheimnis, wie
Volksversammlungen beherrscht werden können und wie den verschiedenen
Bevölkerungsgruppen hohe Steuern zu entlocken sind,
aus der Republik Holland mit, wo aus diesemWissen gründlich Nutzen
gezogen wurde. ... Seine ganzen Bemühungen waren darauf
gerichtet, die Mehrheit der Wahlkreise durch Korruption und die
Mehrheit der Stimmen des Parlaments durch Patronage zu erhalten.
... Zu dieser Zeit nahm auch die Staatsverschuldung ihren Anfang,
die Regierung lernte das gefährliche Geheimnis, durch das Borgen
von Geld seinen Einfluß zu bewahren und die Rückzahlung
in die
Zukunft zu verlegen.«
34
...
Wilhelm III. wurde von Holländern unterstützt, und einige
Jahre
nach seiner Landung hatte Großbritannien auf einmal eine fundierte
Staatsschuld nach holländischem Modell sowie eine Bank von England,
die ebenfalls mit Kapital aus Amsterdam gegründet wurde. ...
36
202 Der Free Coinage Act von
1666
... Als sich die Wogen
etwas geglättet hatten, wurde den Juden die Rückkehr aufgrund
eines
königlichen Dekrets erlaubt – das Parlament wurde bei dieser Entscheidung
übergangen.
In der
Jewish Encyclopedia ist folgendes zu lesen: »Mit
der Herrschaft
Wilhelms III. war für die Juden eine außergewöhnliche
Prosperität
verbunden.«
...
Diejenigen, die für den Verrat der Kriegsfinanzierung,
für privat geführte und kontrollierte Banken, für die
Entstehung
einer gigantischen Staatsverschuldung mit entsprechend harter
Besteuerung verantwortlich sind, können nicht immer als eine bestimmte
nationale, religiöse oder ethnische Gruppe identifiziert werden,
sondern gehören eher einer Gruppe bzw. Bande von Finanzleuten
an,
die nicht groß genug ist, um als Klasse bezeichnet zu werden.
11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT
203
11. Kapitel Die Bank of England wird ausgeheckt
Die »Renaissance des Nordens«
veränderte im 16. und
17. Jahrhundert zwar die Ökonomien Europas, die Entstehung eines
entsprechenden Bewußtseins von den monetären Prinzipien
ging damit
jedoch nicht einher.
Der Machtzuwachs der Amsterdamer Börsenmakler basierte auf
einem Edelmetallgeldbestand, der zum größten Teil durch
zwei Jahrhunderte
des Genozids an den Indianern Mittel- und Südamerikas
beschafft worden war. ...
Englands
Free Coinage Act von 1666 entzog der Krone die Kontrolle
über das Geldwesen und gab sie in die Hände von Kaufleuten.
... der die institutionelle
Form einer privaten, privat kontrollierten Zentralbank annehmen
sollte.
Die Lehre vom Geld wird wiederentdeckt – und mißbraucht
Die erste Notenbank im Westen war die
Bank von Schweden (1661).
Aber erst die Gründung der
Bank of England signalisierte
die Wiederentdeckung
der verlorengegangenen Lehre vom Geld. ...
204 Die Lehre vom Geld wird
wiederentdeckt — und mißbraucht
... eine hochexplosive Waffe wurde in die Hände eines potentiellen
Soziopathen gegeben.
...
Die Institutionalisierung des Wuchers
Durch die
Bank of England wurde der Wucher in der modernen Welt
institutionalisiert. Bei Wucher handelt es sich um den kalkulierten
Mißbrauch des Geldsystems für private Zwecke (siehe oben
Seite 135).
Die
Bank of England wurde 1694 gegründet. ...
Das erste ins Detail gehende Werk über die
Bank of England
ist
The
History of the Bank of England des griechischen Professors Andreas
Andreades aus dem Jahre 1909. ...
11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT
205
Die Notwendigkeit einer Bank
...
In der Mitte der 90er Jahre des 17. Jahrhunderts hatte das Münzgeld
Englands durch Abzwacken vom Münzrand bis zu 50% an Gewicht
verloren ...
1
206 Die Lehre vom Geld wird
wiederentdeckt — und mißbraucht
ZahlreicheVorschläge zur Gründung einer Bank
... Zweimal wurden sogar
negative Zinssätze vorgeschlagen und damit die Theorien von Silvio
Gesell vorweggenommen. Mindestens vier Vorschläge kamen von
William Paterson (1658-1719), dem späteren Gründer der
Bank
of
England.
3
Die Pläne des mit John Law verwandten Schotten William
Paterson konnten jedoch erst 1694, nach der Landung Wilhelms III.
von Oranien, in die Tat umgesetzt werden.
Der Vorschlag Patersons; Montagus Bank
... kann die Annahme von Patersons Plan nur mit
der Unterstützung durch zwei Männer von außergewöhnlichem
Einfluß
und besonderer Entschlußkraft erklärt werden — Charles Montagu
(1661-1715), Schatzkanzler, und Michael Godfrey, Neffe von Sir
Edmundbury Godfrey.
4
...
Charles Montagu muß eigentlich als der wahre Gründer der
Bank of
England angesehen werden, denn er war es, der den Plan durchs Parlament
brachte, während Godfrey sich um die Zustimmung der Londoner
Kaufleute bemühte.
Paterson war jedoch mehr als nur ein Strohmann. Sein Biograph
Sax Bannister berichtete über enge Beziehungen zu den reichen
Juden
Londons und vermutlich auch Amsterdams und Deutschlands.
5
...
11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT
207
Paterson ... mag er die unterschiedlichsten
Gründe gehabt haben, ... eine Bank zu gründen, die
dessen Kriege finanzieren würde und ausländischen Geldverleihern
die Möglichkeit gab, Englands Geldsystem mit aus dem Osten stammenden
üblen Methoden zu dominieren.
Die Gründung der Bank wird in aller Stille vorangetrieben
Über die Diskretion, mit der die Gründung dieser »Revolutionsbank
« – wie sie genannt wurde – vorangetrieben wurde, sagte Bannister,
es sei die ganze Zeit hinweg vermieden worden, von einer »Bank«
oder »Gesellschaft« zu sprechen, ..., um es dem Parlament
akzeptabel
erscheinen zu lassen.
7
Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt – eine Taktik, die in Amerika
bei der Verabschiedung von Gesetzen über das Geldwesen Schule
machen
sollte –, wurden die mit der Gründung der
Bank of England notwendig
werdenden Gesetze in aller Stille verabschiedet – als Zusatz zu
einem Steuergesetz über Schiffstonnage.
208 Die Gründung der Bank
wird in aller Stille vorangetrieben
Die Funktion der Bank
Der vorgegebene Beweggrund für die Gründung der Bank war
die
Beschaffung eines enormen Kredits für die Regierung Wilhelms III.
...
Der Bank war es erlaubt, Noten in derselben Höhe auszugeben, wie
sie Kredite an die Regierung vergab. Oder anders ausgedrückt:
Die
Schulden der Regierung dienten der Bank als Reserve. ...
... die Bank könne sich auf eine Reserve stützen, die nur beim
Untergang
der Nation zunichte würde.
8
... die Regierung hätte schließlich
zu denselben Konditionen eigene Noten ausgeben können —
ohne jegliche Zinszahlungen. Im Gegensatz zur
Bank von Amsterdam
wurde die
Bank of England eben von Privatleuten kontrolliert.
Die Charter der Bank
Die Bank erhielt eine Lizenz für 12 Jahre, beginnend am 27. Juli
1694. ....
9
11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT
209
... Daher sollten
die Noten bald mit dem Staat identifiziert werden: »Nur sehr
wenige
Fremde verstehen die Natur der Bank. Sie betrachten ihre Noten stets
als Noten des Staats«, schrieb Sir Francis Baring?
10 Vermutlich
ging es
den meisten Engländern ebenso. Auch ...dem Adam Smith ...
Der Widerstand gegen die Bank regt sich
Innerhalb kürzester Zeit regte sich beträchtlicher Widerstand
gegenüber
der Bank. ... Im
Unterhaus des Parlaments wurde bemängelt, daß diese Bank
nicht
unter Kontrolle der Regierung stand.
11
...
210 Der Widerstand gegen die
Bank regt sich
Das Land Bank-Fiasko der Tories
Der Widerstand gegen die Bank hielt an. Im April 1696 gründeten
die
Tories die
Chamberlain's Land Bank, die der
Bank of England
Konkurrenz
machen sollte. ... als bei der Zeichnung im August 1696 nur eine
Summe von wenigen tausend Pfund zusammenkam, wurde das Projekt
der
Chamberlain's Land Bank aufgegeben.
13
11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT
211
Die erste Krise der Bank of England
Ebenso von der Neuprägung bet roffen, durchlief die Bank 1696
– nur
zwei Jahre nach ihrer Gründung – ihre erste Krise, ... Pater -
sons Ansicht nach sollten die Direktoren ihre Macht nutzen und von
den Anteilseignern mehr Gold verlangen: »Oder sollen sie etwa
auf
Kosten der Nation verhätschelt werden? ...
So wie wir Bettler auffordern zu arbeiten, muß ich diese Männer
auffordern
zu zahlen. Sie sind reich und sind dazu imstande.«
14
Der Angriff der Goldschmiede
Kurz vor der geplanten Verlängerung der Lizenz der Bank kam es
1707 aufgrund einer Konspiration der Goldschmiede zu einem enormen
Run auf die Bank. ...
Die Bankdirektoren verfolgten eine einfache, aber brillante
Strategie, indem sie sich schlichtweg weigerten, die Banknoten
der Goldschmiede einzulösen, ...
212 Der Widerstand gegen die
Bank regt sich
DieWeiterentwicklung der Bank
Die
Bank of England hatte Erfolg, wo andere scheiterten, da
sie ohne
jegliche ideologische Skrupel jedes Ereignis nahm, wie es kam. Die
Direktoren der Bank zögerten nicht, ihre eigenen Regeln und Versprechungen
zu brechen, wenn das Überleben dies diktierte.
... Daher konzentrierten sich
Macht und Reichtum der Bank innerhalb eines kleinen Kreises, und
es wurde ihr oft vorgeworfen, in die Hände eines engen Kreises
verwandter
Familien gefallen zu sein, die ihre Interessen über die der
kommerziellen Welt stellten.
15
Ricardo greift die Geldschöpfungsmacht der Bank an
Der englische Jude David Ricardo (1772-1823) gehörte zu den wenigen,
die das Wesen der Bank erkannten und öffentlich machten.
... 1816 griff Ricardo die Existenzgrundlage der Bank an: »Sie
haben die Macht, die vorhandene Geldmenge nach ihrem Belieben
und ohne jegliche Kontrolle zu erhöhen oder zu verringern: eine
Macht, die weder dem Staat selbst noch irgend jemandem darin anvertraut
werden sollte. ... die Leichtfertigkeit zu mißbilligen,
mit der
11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT
213
der Staat die Bank mit einem solch erstaunlichen Vorrecht ausgestattet
hat.«
16
1823 nahm Ricardo all seinen Mut zusammen und schlug die
Gründung einer englischen Nationalbank vor....
Aus den folgenden Gründen propagierte Ricardo eine staatliche
Bank: »Wenn Papiergeld nicht mehr von der Bank geliehen werden
müßte, sondern wenn die Ausgabe von Papiergeld einzig und
allein
in den Händen der Regierung selbst läge, dann würde
dies in bezug
auf die Zinsen einen offensichtlichen Unterschied machen.... «
18
...
Der Mißbrauch der Lehre vom Geld
Die Gründung und Leitung der
Bank of England zeigt, daß
die wesentlichen
Prinzipien der Geldlehre den Holländern, Juden und englischen
Geldverleihern, die die Bank organisierten und kontrollierten,
bekannt waren, ...
214 Der Mißbrauch der
Lehre vom Geld
Das erste dieser Prinzipien lautet, daß
der Wert des Geldes nicht
von dessen Materialwert abhängt, sondern von gesetzlichen Bestimmungen.
»Alles kann als Geld zirkulieren; Papier ist als repräsentativer
Wert genauso geeignet wie Gold, und in vielerlei Hinsicht
ist es besser«, schrieb Sir Francis Baring
19
Zum zweiten können per Gesetz auch andere Medien (als Edelmetalle)
zu Geld gemacht werden, indem diese vom Staat für die
Zahlung von Steuern und Abgaben akzeptiert werden.
Das wichtigste aller monetären Prinzipien wurde jedoch übersehen
– das Prinzip der Gerechtigkeit innerhalb der monetären
Strukturen.
Die korrumpierte Lehre vom Geld führt zu schädlichen
Resultaten
Diese unethische Anwendung korrekter Prinzipien des Geldes mußte
zwangsläufig zu schädlichen Resultaten führen. Zu den
negativen
Auswirkungen der
Bank of England zählten ständige
Kriege, ein nicht
mehr abzutragender Schuldenberg und eine enorme Steuerlast. Die
Praxis der Bank hatte eine spekulative Finanzordnung sowie entsetzliche
Katastrophen wie die irische Hungersnot zur Folge.
Kriege lassen die Schulden anwachsen
Die Bank fuhr fort, die Streitereien der protestantischen Dynastie
zu
unterstützen, und versorgte die Regierung mit den Mitteln für
weitere
Kriege. ...
11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT
215
Staatsschulden verdeutlicht den Zusammenhang mit der Kriegsführung:
Englands Staatsschulden (in Millionen £)
Kriegsperiode |
Kriegskosten
|
|
aufgelaufene
|
Staatsschulden
|
1688-1697
|
32,6
|
Millionen
|
14,5
|
Millionen
|
1702-1713
|
50,7
|
|
21,5
|
|
1739-1748
|
43,7
|
|
29,2
|
|
1756-1763
|
82,6
|
|
59,6
|
|
1776-1785
|
97,6
|
|
117,3
|
|
1793-1815
|
831,5
|
|
504,9
|
|
Paterson attackiert die Staatsschulden
William Paterson erkannte, wie ungerechtfertigt diese Staatsschulden
waren. ...
1819, ein Jahrhundert später, stellte auch Ricardo einen Plan
zur
Tilgung der Staatsschulden vor. ...
22
216 Der Mißbrauch der
Lehre vom Geld
Ricardo erkennt das Interesse der Bank an der Kriegsführung ...
»Der Krieg, unter dem
die meisten Klassen der Gesellschaft schwer zu leiden haben, wirft
für
die Bank unerwartete Profite ab, und in dem Maß, wie sich die
Belastungen
und Schwierigkeiten des Staats erhöhen, steigen die Gewinne
dieser Institution.«
23
...
Die Machenschaften der Bank
Vor 1833 hatten Außenstehende keinerlei Einblick in die Bücher
der
Bank of England. ...
Die Schlüsselrolle in der Bank hatten jedoch nicht die Eigentümer
inne, sondern der kleine Kreis, der die Fäden in der Hand hielt;
... Entgegen den Bestimmungen weigerte
sich die Bank, über die Höhe der Gewinne zu informieren.
25
11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT
217
Der South Sea Bubble
Die
Bank of England schuf ein finanzielles und kulturelles Klima,
das
Betrug und Spekulation wie Pilze aus dem Boden schießen ließ.
Die erste einer ganzen Reihe von Betrugswellen überschwemmte
England von 1718 bis 1720, ... Im Zentrum des Geschehens stand
die 1711 gegründete
South Sea Company, die Sklaven in einige
spanische
Kolonien transportierte. ...
In A South Sea Ballad schrieb Jonathan Swift:
A rate of men who t'other day
lay crushed beneath disasters
are now by stock brought into play
and made our lords and masters.
*
----------------------------------------------------------------------
* Ein Schlag von Menschen, der eben
noch / vom Verderben niedergeschmettert war, /
wurde von Aktien nach oben getragen/und machte sich zu unserem Herrn
und Meister.
218 Der South Sea Bubble
...
Tatsächlich hatte das Spekulationsfieber die Nation gepackt. ...
Der Zusammenbruch der
South Sea Company
verursachte schließlich einen antijüdischen Aufstand in
Amsterdam.
Als die Mehrheit der ehrlichen Mitglieder des Parlaments die Betrüger
schließlich vor Gericht brachte, versuchte die Krone, das Strafmaß
zu drücken, ...Die milde Bestrafung der
Betrüger setzte den Standard für die Nichtahndung von Finanzdelikten
in der englischsprachigen Welt (vor allem in den Vereinigten Staaten),
mit Auswirkungen bis auf den heutigen Tag. ...
11 DIE BANK OF ENGLAND WIRD AUSGEHECKT
219
Die irische Hungersnot
Die irische Hungersnot war Resultat der Besteuerung, die notwendig
geworden war, um der
Bank of England ihre Geschäfte zu
ermöglichen.
Von einer Gesamtbevölkerung von acht Millionen fielen
1 029 000 irische Männer, Frauen und Kinder dem Hungertod zum
Opfer, und dies in einer Zeit, in der die von Landbesitzern exportierten
Agrarprodukte mehr als ausgereicht hätten, um sie alle zu ernähren.
...
Die Trennung von Geld und Staat
Die von Nation und Staat abgetrennte Macht über die Kontrolle
des
Geldsystems, die allgemein in den englischsprachigen Ländern zu
beobachten
war, hatte negative Auswirkungen auf die ganze Welt. ...
220 Der South Sea Bubble
Die Vertreter des Volkes waren mit der Komplexität der monetären
Macht manchmal überfordert; häufig wurden sie auch zum Ziel
von
Bestechungsversuchen. ...
Die vom Finanzsektor ausgeübte Kontrolle über die Massenkommunikation,
zuerst auf Kanzeln und über Zeitungen, später auch
über Rundfunk, Filmindustrie und Fernsehen – zu schweigen von
den Universitäten –, hatte und hat zur Folge, daß die mit
dem monetären
Sektor verknüpfte Problematik an den Rand des Bewußtseins
geschoben wurde oder gar nicht erst ins Blickfeld geriet.
Während der letzten drei Jahrhunderte konnten die Führungscliquen
solcher wirtschaftlicher Organisationen nur unter Aufwendung
enormer Energie und gigantischer Geldsummen verhindern,
daß sie durchschaut und mit Dieben und Betrügern gleichgesetzt
wurden. Dies führt uns zu der Frage nach dem Propagandaapparat,
der in diesem plutokratischen System den Eindruck einer weißen
Weste erhalten soll.